CSU:Horst und die Harmonie

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Verzweifelt und harmoniebedürftig: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). (Foto: dpa)
  • Horst Seehofer zeigt momentan zwei Gesichter: das des angriffslustigen Raufbolds und das des besorgten, verzweifelten bayerischen Ministerpräsidenten.
  • Gespräche mit der Landtagsopposition haben am Freitag für Harmonie in der bayerischen Politik gesorgt.

Von Daniela Kuhr

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer erinnert in diesen Tagen ein wenig an Herrn Turtur, den Scheinriesen aus Michael Endes Kinderbuch "Jim Knopf". Aus der Ferne wirkt er ungeheuer riesig und bedrohlich. Doch je näher man ihm kommt, desto weniger bleibt von dem Schrecken übrig. Wer unmittelbar vor ihm steht, stellt fest: In Wahrheit ist Herr Turtur gar nicht bedrohlich - sondern ein ziemlich verzweifelter Mensch.

Bei Seehofer verhält es sich nicht viel anders. Wer den CSU-Vorsitzenden in diesen Tagen nur aus der Ferne beobachtet, empfindet ihn als angriffslustigen Raufbold, der für seine eigene Profilierung mittlerweile sogar den Bruch der großen Koalition in Kauf nimmt.

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Wer Seehofer dagegen gegenübersteht, erlebt einen völlig anderen Menschen - der weder poltert, noch attackiert. Im Gegenteil: der ziemlich nachdenklich wirkt. Der immer als erstes das große Engagement der vielen freiwilligen Helfer lobt. Der betont, wie wichtig es ist, die Flüchtlinge schnell zu integrieren. Den aber angesichts von täglich neu eintreffenden Tausenden Menschen zunehmend die Sorge treibt, ob das überhaupt noch gelingen kann. Und der deshalb darauf besteht, dass der Zuzug begrenzt werden muss.

Ein parteiübergreifendes Treffen als Harmonie bildende Maßnahme

Am Freitag hatte die bayerische Landtagsopposition Gelegenheit, sich erstmals seit Beginn der Flüchtlingskrise einmal ganz in Ruhe und ausführlich mit Seehofer zu unterhalten. Der Ministerpräsident hatte die Fraktionschefs von SPD, Grünen und Freien Wählern zusammen mit CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer in die Staatskanzlei eingeladen. Auch dort war der Turtur-Effekt spürbar: Hatten die Vertreter von SPD und Grünen am Morgen vor der Staatskanzlei in München noch laut den Verdacht geäußert, die katastrophalen Bilder von der bayerisch-österreichischen Grenze seien womöglich "Kalkül", um den Druck auf Merkel zu erhöhen, so zeigten sie sich nach dem Treffen allesamt in bester Harmonie.

Es sei ein gutes Gespräch gewesen, sagte die Fraktionschefin der Grünen, Margarete Bause, "konstruktiv und in weiten Teilen konsensual". Besonders freute sie sich darüber, dass man gemeinsam vereinbart habe, die "chaotische Situation" an der bayerischen Grenze sofort zu beenden.

Die vier Fraktionen beschlossen, zusammen daran zu arbeiten, dass ankommende Flüchtlinge schneller und besser innerhalb Bayerns verteilt werden. Dabei sei klar der politische Wille formuliert worden, dass ab sofort auch die Landeshauptstadt München wieder stärker einbezogen werde, sagte Seehofer. Zuletzt hatte es massive Kritik gegeben, weil in München Notunterkünfte leer standen, während an der Grenze Flüchtlinge stundenlang in der Kälte ausharren mussten, ohne versorgt zu werden.

Die Fraktionschefs vereinbarten, ausreichend Züge und Busse bereitzustellen, um auch unvorhersehbare Spitzen bewältigen zu können. Zugleich forderte die Runde den Bund parteiübergreifend auf, mehr "Aufnahmezentren" in Grenznähe zu schaffen. Man wolle solche unwürdigen Situationen, wie man sie in den vergangenen Tagen erlebt habe, künftig vermeiden, sagte Seehofer.

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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