USA:Party, aber bitte mit Maske

Lesezeit: 3 min

Das öffentliche Leben hat langsam wieder Einzug in New York. (Foto: AP)

Während im Rest des Landes die Infektionen deutlich ansteigen, gehen sie in New York City zurück. Dort wächst die Ungeduld über die Corona-Auflagen. Und die Polizei greift nicht wirklich durch.

Von Christian Zaschke, New York

Wenn man nach New York City blickt, das Zentrum der Corona-Krise, sieht es so fast aus, als hätten die Vereinigten Staaten das Schlimmste überstanden. Das Hospitalschiff USNS Comfort hat die Stadt wieder verlassen. Das Zeltkrankenhaus im Central Park wird in Kürze abgebaut. Das Behelfskrankenhaus im Javits-Kongresszentrum ist geschlossen. Und Gouverneur Andrew Cuomo hat soeben einen Plan dafür vorgelegt, wie der Betrieb in Stadt und Staat wieder anlaufen soll.

Doch während die Zahlen der Infizierten und der Toten in New York zurückgehen, steigen sie in anderen Teilen des Landes auf beunruhigende Weise. Täglich werden mindestens 25 000 neue Fälle gemeldet, insgesamt sind es nun 1,1 Millionen. Mehr als 70 000 Menschen sind in den USA an den Folgen des Virus gestorben. Die jüngsten Vorhersagen gehen davon aus, dass diese Zahlen rasant steigen werden.

Staaten mit republikanischen Gouverneuren lockern die Regeln

Der New York Times liegt eine Studie aus dem Weißen Haus vor, der zufolge es Ende Mai rund 200 000 neue Fälle pro Tag geben könnte. Die Zahl der Toten könnte auf 134 000 steigen. Das liegt deutlich über den bisherigen Prognosen, was auch damit zu tun hat, dass manche Staaten die strengen Regeln gelockert haben. In Georgia sind sogar Friseure, Nagelsalons und Tattoostudios wieder geöffnet. Der Rest des Landes blickt mit großem Interesse auf das Experiment in Georgia. Auch Indiana, Iowa, Kansas, Minnesota, Tennessee und Texas haben manchen Geschäften erlaubt, wieder zu öffnen.

Es sind vor allem Staaten mit republikanischen Gouverneuren, die die Regeln lockern. Im zutiefst gespaltenen Amerika ist auch das Virus politisch. 40 Prozent der Republikaner glauben einer Umfrage zufolge, dass die Zahl der Toten in Wahrheit niedriger sei. Lediglich sieben Prozent der Demokraten glauben das.

Schaut man auf die Zahlen der Neuinfektionen insgesamt im Land, sieht es so aus, als sei ein Plateau erreicht worden. Nimmt man jedoch New York City aus der Rechnung, wo die Zahl der Neuinfektionen stark sinkt, ist eine klare Steigerung zu erkennen. Allmählich ist das Virus im ländlichen Raum angekommen. Die Times berichtet, dass Dakota County in Nebraska nun die drittmeisten Fälle pro Kopf im ganzen Land aufweise. Noch Mitte April gab es dort offiziell keinen einzigen Fall.

Trotz der steigenden Zahlen scheint in weiten Teilen des Landes der Wunsch drängender zu werden, zu einem immerhin normaleren Leben zurückzukehren. In Kalifornien will der demokratische Gouverneur Gavin Newsom ab Ende der Woche erlauben, dass zum Beispiel Bekleidungsgeschäfte, Buchläden, Blumenhändler und Sportgeschäfte wieder öffnen dürfen. Das gilt dann logischerweise auch für die Unternehmen, die diese Läden beliefern. Der Verkauf soll unter strengen Auflagen laufen. So müssen die Inhaber darauf achten, dass die Kunden einen Sicherheitsabstand von zwei Metern zueinander einhalten.

Die Praxis zeigt, dass das eher utopisch ist. In New York City zum Beispiel ist deutlich spürbar, wie die Disziplin in den Geschäften und auf den Straßen nachlässt. Viele Menschen tragen ihre Masken lediglich über dem Kinn oder lassen sie von einem Ohr baumeln. In den Lebensmittelgeschäften stehen sie bestenfalls einen Meter voneinander entfernt an der Kasse. Wochenends ist der Central Park bei gutem Wetter nicht nur gut besucht, er ist rappelvoll, und auf den Straßen stehen Jugendliche in Gruppen vor Restaurants, die außer Haus verkaufen dürfen, und trinken.

Die Polizei lässt sie meist gewähren, obwohl Bürgermeister Bill de Blasio ein strenges Durchgreifen angekündigt hat. Im Fall einer Dachparty in Hell's Kitchen, bei der an diesem Wochenende zwei Dutzend Menschen teils mit nacktem Oberkörper ausgelassen tanzten, sah das harte Durchgreifen so aus, dass die Polizei anrückte und beschied, die Musik müsse etwas leiser sein, und alle sollten Masken tragen. Dann ging die Party weiter.

Die wachsende Unruhe in der Stadt dürfte auch Gouverneur Andrew Cuomo nicht entgangen sein. Zwar sollen die strengen Regeln weiterhin bis zum 15. Mai gelten, danach ist jedoch eine stufenweise Lockerung vorgesehen, was zunächst heißt, dass einige Geschäfte wieder öffnen dürfen. Sinken die Infektionszahlen weiter, dürfen Ende Mai weitere Geschäfte öffnen. In einer dritten Phase könnten Mitte Juni die Hotels, Bars und Restaurants wieder Gäste empfangen. Zuletzt kämen Orte wie Kinos und Theater an die Reihe. Die Schulen bleiben bis zum Sommer geschlossen.

Damit die jeweils nächste Phase der Öffnung eingeleitet werden kann, muss die Zahl der Menschen, die wegen des Virus ins Krankenhaus eingeliefert werden, über einen Zeitraum von zwei Wochen kontinuierlich abnehmen. Zudem müssen stets mindestens 30 Prozent der normalen Krankenhausbetten und der Intensivbetten frei sein, damit Stadt und Staat vorbereitet sind, falls es zu einer zweiten Infektionswelle kommt.

© SZ vom 06.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Coronavirus in den USA
:Die unvorbereiteten Staaten von Amerika

Nirgends ist die Zahl der Infizierten höher: In kaum einem anderen entwickelten Land hat es das Coronavirus so leicht gehabt wie in den USA. Und es wird immer schlimmer. Fünf Orte, die für das Versagen einer Nation stehen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: