Der Mangel an Schutzausrüstung macht sich in der Altenpflege immer stärker bemerkbar. Angesichts einer ansteigenden Zahl von Corona-Krankheitsfällen in Alten- und Pflegeheimen fordern Patientenschützer, Pflegeheimbetreiber und Verbände von Pflegekräften daher unisono weitaus stärkere Anstrengungen der Politik, für eine angemessene Ausstattung in der Altenpflege zu sorgen. "Die Pflegeeinrichtungen müssen stärker in den Fokus gerückt werden", sagte der Vizepräsident des Arbeitgeberverbandes Pflege (AGVP), Friedhelm Fiedler, der Süddeutschen Zeitung.
Auch andere Verbände sehen sich im Hintertreffen gegenüber Ärzten und Kliniken. "Dort, wo potenzielle Krankenhausfälle verhindert werden können - in der ambulanten und stationären Langzeitpflege - lässt man die Pflegenden allein und ohne ausreichende Schutzausstattung", kritisiert der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK). Die Ängste der Altenheimbewohner, ihrer Angehörigen und der Pflegekräfte waren zuletzt angesichts zahlreicher Todesfälle in einem Würzburger Altenheim stark gestiegen. Dort sind zehn Menschen nach einer Corona-Infektion gestorben.
Die Pflegeunternehmen bemühten sich "überall, beim Katastrophenschutz, bei der Bundeswehr, auf dem freien Markt", Schutzmaterial zu erstehen, sagt AGVP-Vizepräsident Fiedler. Doch vor allem Atemschutzmasken seien kaum zu bekommen. Dabei habe der Präsident des Robert-Koch-Instituts die Pflegeheime ausdrücklich aufgefordert, dass ihre Mitarbeiter Schutzmasken tragen sollen. Doch woher nehmen? "Früher bekamen Sie solche Masken für winzige Beträge, heute kosten sie bis zu fünf Euro oder mehr."
Zudem seien Riesenkontingente an Schutzmasken offenbar auf dem Transportweg verschwunden. Die daraus folgende "Preisexplosion" zu stoppen, ist laut Fiedler Aufgabe der Politik. Er sieht Bund und Länder in der Pflicht, die Pflegebetriebe zu unterstützen. "Wir fordern mit Nachdruck eine bessere und schnellere Versorgung mit Atemmasken und Schutzanzügen." Der AGVP vertritt die privatwirtschaftlichen Unternehmen in der Pflege.
Auch bei der Volkssolidarität, einem der größten Träger im Bereich ambulantes Wohnen für ältere Menschen in den ostdeutschen Bundesländern, wird die Verknappung beklagt. Präsident Wolfram Friedersdorff warnte, wenn Pflegerinnen und Pfleger nicht ausreichend geschützt seien, gefährde dies sowohl das betreuende Personal als auch die betreuten Personen.
Dem müsse durch eine entsprechende Berücksichtigung der Altenpflege bei der Verteilung von Schutzausrüstung Rechnung getragen werden. Dass man von offizieller Seite auf Nachfrage keine konkrete Unterstützung, sondern Anleitungen zur Herstellung von improvisierten Atemschutzmasken aus Stofftüchern erhalte, sei ein handfester Skandal.
Friedersdorff kritisiert auch die "zum Teil ins Utopische gestiegenen Preise" für Schutzausrüstung. Gegen Wucherer müsse die Politik entschieden vorgehen. Vom Bund und den Landesregierungen verlangt er, dass sie ihrer Pflicht zur Bevorratung von Schutzausrüstung nachkommen. Das sei sträflich vernachlässigt worden.
Kritik kommt auch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. "Die zehn Toten von Würzburg werfen ein grelles Schlaglicht auf die dramatische Lage im Pflegebereich", sagte der Vorstand der Stiftung, Eugen Brysch, der SZ. Etwa 3,6 Millionen Pflegebedürftige würden in Heimen und zu Hause versorgt. Sie seien dem Coronavirus ausgeliefert, aufgrund ihres Alters und ihrer zahlreichen Vorerkrankungen. "Bund und Ländern ist das bekannt. Sie legen teure Hilfsprogramme auf, aber die Altenpflege bleibt außen vor", so Brysch. Dass Arbeitsmittel wie Schutzmasken und Schutzkleidung fehlten, dürfe so nicht weitergehen. "Was hier schiefläuft, kann die Intensivstation kaum retten."
In deutschen Pflegeheimen werden indes immer mehr Corona-Infektionen gemeldet. So wurden wegen der hohen Anzahl von Infizierten in einem Pflegeheim in der Stadt Jessen in Sachsen-Anhalt zwei Ortsteile unter Quarantäne gestellt. Bayern kündigte bereits an, auch Pflegeheime zu bedenken - "sobald Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel zur Verfügung stehen", wie das Gesundheitsministerium verlautete. Die Gefahr betrifft nicht nur die Pflegeheimbewohner, sondern auch die Pflegerinnen und Pfleger.
Der Caritas-Bundesverband hat bereits mitgeteilt, dass sich unter seinen Mitarbeitenden nachgewiesene Corona-Fälle befänden - "bei der Größe unseres Verbandes und der Exponiertheit unseres Personals ist leider davon auszugehen, dass es noch mehr werden", heißt es auf der Webseite des Verbandes. Der DBfk als Interessenvertretung der Pflegeberufe fordert daher, dass die Pflegenden "maximal geschützt" werden, damit sie gesund bleiben und die Versorgung aufrechterhalten können.
"Das oberste Gut, um eine Krise zu bewältigen, ist, Pflegende zu schützen und auf deren körperliche und seelische Gesundheit zu achten", sagte Marliese Biederbeck, Geschäftsführerin des DBfK Südost der SZ. "Wir stehen erst am Anfang der Krise, die große Welle kommt vermutlich erst noch auf uns zu." Dass Pflegende mit Schutzausrüstung ausgestattet seien, sei eine Grundvoraussetzung. Nur so könnten sie alte und kranke Menschen pflegen und die Versorgung vor Ort aufrechterhalten.
Biederbeck weist noch auf ein anderes Problem hin. "Für uns als Berufsverband, der die Interessen der beruflich Pflegenden vertritt, ist es jetzt entscheidend, dass wir in den relevanten Gremien und Krisenstäben mitarbeiten", sagt sie. Das sei bedauerlicherweise aber bisher nicht der Fall. Der Verband könne daher seine Expertise nicht einbringen und bekäme Informationen nur mit Verspätung. Zudem sei mit dem neuen Infektionsschutzgesetz vieles außer Kraft gesetzt worden, was im Sinne des Arbeitsschutzes ganz wichtig sei. Etwa die Dauer des Schichtdienstes.
Es sei aber nicht zielführend, bemängelt Biederbeck, wenn Pflegende in einer Krisenphase übermüdet seien und dabei riskierten, sich selbst zu infizieren.