Erfolgreiche Politiker zeichnen sich durch das Gespür aus, den rechten Moment abzuwarten, um blitzschnell ein Projekt durchzusetzen. Angela Merkel ist unangefochten Meisterin in dieser Disziplin. Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken dagegen vom Optimum noch weit entfernt. Sonst hätte sie sich ihren Vorschlag für später aufgehoben, besonders betuchte Bürger in Deutschland durch eine einmalige Abgabe stärker an der Sanierung der öffentlichen Haushalte nach der Corona-Krise zu beteiligen.
Deutschland wird in den kommenden Wochen voraussichtlich bis zu 356 Milliarden Euro Schulden machen. Damit würde die Bundesrepublik alle finanziellen Ziele reißen - hätte sie diese nicht vorsorglich außer Kraft gesetzt. Die Schuldenbremse in der deutschen Verfassung ist jetzt ebenso kein Hindernis mehr wie die Defizitgrenze im europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt. Rechnet man hinzu, dass es am Ende der Krise noch ein Konjunkturpaket geben wird, dann ist klar, dass es einiger Zeit und einiger Anstrengungen bedarf, um diese Schulden wieder abzubauen.
Esken will daran vor allem jene beteiligen, die finanziell auf weichem Polster sitzen. Ihre Idee erinnert an den umstrittenen Solidaritätszuschlag. Um die neuen Länder aufzubauen, entrichteten Steuerzahler in Ost und West viele Jahre einen Zuschlag auf die Einkommensteuer. Dieser Soli wird nach harten Debatten nun gerade weitgehend gestrichen. Doch anstatt den politischen Lohn dafür zu kassieren, in dem sie den Erfolg der SPD herausstellt, prescht die Co-Vorsitzende gleich mit einem neuen Soli-Zuschlag vor.
Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, was in dieser akuten Corona-Notlage daraus wird: nichts. Und das ist schade. Esken verbrennt mit dem unkoordinierten Vorpreschen eine Idee, über die man reden kann. Es spricht einiges dafür, besonders Vermögende stärker an den Kosten der Krise zu beteiligen. Umsetzen kann man das aber nur, wenn sich viele einig sind - und es im richtigen Moment vorschlagen.
Schlimmer noch als das schlechte Timing aber ist, dass Esken damit auch die Bemühungen von Finanzminister Olaf Scholz untergräbt. Dieser hat gerade in einer schier unvorstellbaren Weise die Bundeskasse geöffnet, um noch jedem Betroffenen helfen zu können. Scholz sendet damit das Signal aus: Geld ist erst einmal genug da. Er ist in der Krise wieder zum Gesicht der SPD geworden. Esken erweckt nun den Eindruck, dass ihr das nicht gefällt und als sei ihr Soli-Vorschlag schlicht der Versuch, das starke Signal des Finanzministers in den Schatten zu stellen. Der SPD wird das nicht helfen.