Als ob Karstadt Kaufhof nicht schon genug Probleme hätte. Allen voran die verbliebenen 28 000 Mitarbeiter mussten großen Opfer bringen und auf Gehalt verzichten. Das war bereits hart, als die Fusion der Kaufhäuser Ende 2019 mitsamt Tarifvertrag für alle Beschäftigten besiegelt wurde. Jetzt aber sollte endlich der Aufbau beginnen und Galeria Kaufhof Karstadt wiedererstarken, was sich auch gut anließ. Wäre da nicht das Coronavirus, welches nun auch den neuen Warenhaus-Konzern getroffen hat. Wie viele Unternehmen in Deutschland, braucht auch Galeria Kaufhof Karstadt Staatshilfe.
Die Gespräche mit den Banken, welche die Hilfen genehmigen müssen, sind aber schwierig, wie aus dem Konzern zu hören ist. Es geht um schätzungsweise 700 Millionen Euro, die fließen sollen, damit alle 170 Filialen des Warenhauskonzerns in Deutschland fortbestehen können. Sie sind wegen der Pandemie bis auf weiteres geschlossen, nur etwa 50 Lebensmittelabteilungen haben geöffnet, dazu Drogerieabteilungen, die an Dritte vermietet und gut zugänglich sind. Da der Geschäftsbetrieb so abrupt zum Stehen gekommen ist, verliert Karstadt Kaufhof jede Woche rund 80 Millionen Euro Umsatz. Kurzarbeitergeld ist beantragt, die Belegschaft verdient nur noch 85 Prozent ihres bereits geschrumpften Monatsgehalts.
Das dringend benötigte und von der Regierung zugesagte Geld fließt nicht. "Dieser Prozess ist derzeit noch sehr bürokratisch und aufwendig", beschwert sich die Geschäftsführung in einem internen Schreiben über die Banken. "Er kostet wertvolle Zeit." Denn viele Zahlungsverpflichtungen bestehen weiter - gegenüber Vermietern, Handelspartnern und natürlich den Mitarbeitern. Die Corona-Krise sei für viele Unternehmen eine "existenzielle Bedrohung" und für Karstadt Kaufhof eine "sehr, sehr große Herausforderung."
Das Beispiel steht für viele Unternehmen in Deutschland, die nun dringend Geld benötigen. Bund und Länder haben Milliarden-Kreditprogramme versprochen, abzurufen bei den staatlichen Förderbanken. Bei der staatlichen KfW-Bank sind bis Montagabend Kreditanträge im Volumen von insgesamt 8,7 Milliarden Euro eingegangen. Doch dazu müssen die Unternehmer zu ihrer Hausbank gehen, die diese Kredite vermittelt. Und bei den Hausbanken hakt es. "Schnell und unbürokratisch" wollten sie die Kredite weiterleiten, kündigten viele an. In der Praxis aber läuft es oft schwierig. Vor allem Unternehmen mit mäßiger Bonität haben Probleme, an Darlehen heranzukommen, was man in Berlin in Kauf nimmt: Der Bund kann jetzt nicht jede Firma mit Staatskrediten retten.
Aber gilt das auch für große Unternehmen? Und für ursprüngliche gesunde Firmen? Zum Beispiel die vielen zuvor stabilen, kleinen, mittleren Betriebe, Hotels, Busunternehmen, Restaurants, die nun wohl die Hälfte ihres Jahresumsatzes verlieren? Viele kommen nun offenbar nicht an Geld. Betroffen sind vor allem Firmen mit einem Umsatz von unter 50 Millionen Euro. Die Banken tun sich nach eigener Aussage schwer, diese Kredite durchzuwinken. Sie können schon jetzt absehen, dass die Firmen die Kredite nicht in der Laufzeit von fünf Jahren zurückzahlen können.
Die Diskussion dreht sich jetzt vor allem um die Frage: Wie viel Risiko bleibt beim Bund, wie viel können die Banken schultern? Bislang nämlich sichert die bundeseigene Förderbank KfW 80 bis 90 Prozent der Kredite. Der Rest verbleibt bei der jeweiligen Hausbank. Das war wichtig, damit die EU-Wettbewerbsbehörde das Paket genehmigt. Die Banken können dafür den kompletten Zins vereinnahmen, (je nach Firmengröße von 1,0 Prozent bis 2,12 Prozent der Kreditsumme) - kein ganz schlechtes Geschäft für die Geldhäuser.
Dennoch fürchten sich die Banken vor hohen Kreditausfällen. Und sie sorgen sich, dass sie ihre Sorgfaltspflicht gegenüber der KfW verletzen, wenn sie Firmen Kredit geben, die nicht rechtzeitig zurückzahlen können. "Es wäre hilfreich, wenn uns die KfW zusichern würde, dass sie uns später nicht in Regress nimmt", sagt der Vorstand einer Bank. Es sei zwar "in Ordnung", dass die Banken mithaften, aber die Institute sollten am Ende nicht auch noch mit hohen Eigenkapitalauflagen bestraft werden, wenn die Kredite ausfallen. Die Kredite sollten daher nach dem Vorbild von Bafög-Darlehen vergeben werden, sagt er. Studenten können diese Mittel je nach Einkommen zurückzahlen, und auch erst, wenn sie dazu in der Lage sind. Beim Bund kennt man das Problem: Dem Vernehmen nach werkeln sie in den Ministerien gerade noch an einer Lösung für diese Mittelständler, die aber natürlich im Einklang mit dem EU-Recht stehen muss.
Soll der Bund sogar zu 100 Prozent für die Kreditrisiken der Firmen haften?
Wirtschaftsverbände und auch einige Volkswirte fordern indes noch mehr: Die KfW sollte bis zu einem Höchstbetrag von 100 Prozent der Kredite garantieren, ähnlich wie das in der Schweiz gehandhabt wird. "Die Banken müssten andernfalls jeden Kreditantrag prüfen und dafür sorgen, dass die Kunden unter Umständen auch neue Sicherheiten beibringen", sagt Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts. Wenn Gesellschafter in dieser unsicheren Lage nicht gleich ihr Haus verpfänden würden, drohen Insolvenzen. "Das wäre bei Firmen mit funktionierendem Geschäftsmodell schädlich", sagt Fuest. Die Frage sei allerdings, wer dann die Risiken prüft, und ob die EU-Kommission ein solches Modell genehmigen würde.
Im Fall von Karstadt richten sich die Augen nun auch auf René Benko, den schwer reichen österreichische Eigner der Signa Holding, zu welcher der Warenhauskonzern gehört. Er ist angeblich bereit, eine "signifikante finanzielle Unterstützung" zu leisten, heißt es in seinem Umfeld. Offenbar aber ist das nicht so einfach: Hilfskredite beantragen und zugleich eine Bürgschaft dafür abgeben? Das sehe das Gesetz nicht vor, glaubt man bei der Signa Holding. Vielleicht aber wird auch an dieser Stelle noch nachgebessert.