Coronavirus:Die Pandemie der Ungeimpften

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Die Zahl der Corona-Infektionen steigt, doch schlimm erwischt es fast nur Menschen ohne Impfschutz. Erste Bundesländer reagieren darauf mit strengeren Regeln für alle, die nicht geimpft oder genesen sind

Von Christina Kunkel, München

Bisher sollten Plexiglas-Trennscheiben für mehr Sicherheit im Restaurant sorgen. Seit dem Wochenende haben Gastronomen in Hamburg nun die Möglichkeit, am sogenannten 2G-Optionsmodell teilzunehmen und Ungeimpften den Einlass zu verweigern. (Foto: Axel Heimken/dpa)

Es gibt in dieser Pandemie einige Fragen, auf die es durchaus Antworten gäbe. Doch die werden von den zuständigen Stellen entweder gar nicht oder nur mit Verzögerung gegeben. Manchmal wurde sogar komplett verbummelt, die dafür nötigen Daten überhaupt zu sammeln. Eine aktuell sehr wichtige Frage lautet: Welchen Anteil haben Geimpfte und Ungeimpfte an den steigenden Corona-Zahlen - und welche Schlüsse sollte man daraus bei den Regeln für diese beiden Gruppen ziehen? Es hat lange gedauert, aber jetzt gibt es darauf erste Antworten.

Erste Bundesländer weisen jetzt die Inzidenzen getrennt für Geimpfte und Ungeimpfte aus. Am Freitag meldete etwa Schleswig-Holstein eine Inzidenz von 104,2 unter Menschen ohne vollständigen Impfschutz. Bei Geimpften lag der Wert demnach nur bei 8,8. Ähnlich gravierende Unterschiede zwischen den beiden Gruppen hat auch Bayern veröffentlicht (Inzidenz von 110 bei den Ungeimpften, 9 bei den Geimpften).

In den Intensivbetten liegen fast nur ungeimpfte Patienten

Dabei könnte man argumentieren, dass diese Zahlen verzerrt sind, da Menschen, die einen vollständigen Impfschutz haben, sich kaum noch testen lassen - und deshalb Infektionen öfter unentdeckt bleiben. Doch es gibt noch weitere Zahlen, und die sprechen eine klare Sprache, was die Wirksamkeit der Impfungen angeht. "Die derzeit 34 Covid-19-Intensivpatienten in Hamburger Krankenhäusern sind alle ungeimpft", schrieb die Gesundheitsbehörde der Hansestadt am vergangenen Dienstag. Auch aus anderen Regionen berichten Mediziner, dass kaum ein vollständig Geimpfter mit den typischen Covid-19-Symptomen im Krankenhaus oder gar auf der Intensivstation liege.

Sollte also weiterhin die Prämisse gelten, dass Maßnahmen zum Infektionsschutz vor allem dazu dienen sollen, eine Überlastung der Krankenhäuser zu vermeiden, muss die Zahl der Infektionen reduziert werden - vor allem bei Menschen, die nicht geimpft sind, sei es, weil sie es nicht wollen oder nicht dürfen. Wie man das schafft und dabei im besten Fall auch noch die Unentschlossenen dazu bringt, sich doch ihre Spritze abzuholen, darüber gibt es mal wieder Uneinigkeit in den einzelnen Ländern.

Während der gemeinsame Nenner die 3G-Regel ist - also dass auch Ungeimpfte überall reinkommen sollen, wenn sie sich testen lassen -, geht Hamburg einen anderen Weg. Mit einem bislang bundesweit einmaligen 2G-Optionsmodell ermöglicht der rot-grüne Senat der Hansestadt seit Samstag Veranstaltungen fast ohne Corona-Auflagen - sofern nur Geimpfte und Genesene sie besuchen. Veranstalter und Wirte können entscheiden, ob sie Ungeimpfte ausschließen wollen und dann weitgehend von den Corona-Einschränkungen befreit sind, etwa von den Abstandsregeln oder einer Sperrstunde.

Baden-Württemberg erwägt Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte

In Baden-Württemberg, wo bislang ausschließlich auf die 3G-Regel gesetzt wird, drohen dagegen ungeimpften Erwachsenen schon Anfang September neue Kontaktbeschränkungen. Das Sozialministerium in Stuttgart will schnell gegensteuern, wenn - wie derzeit erwartet - immer mehr Covid-19-Patienten auf die Intensivstationen müssen. Uwe Lahl, Amtschef im Ministerium, sagte der dpa: "Wenn 200 bis 250 Intensivbetten belegt sind, erwägen wir, erste Kontaktbeschränkungen für ungeimpfte Erwachsene zu erlassen." Nach Prognosen des Landesgesundheitsamts könnten diese Grenzwerte schon Ende kommender Woche überschritten werden. Auch über den Ausschluss von Ungeimpften denkt man in Baden-Württemberg bereits nach, sollten es mehr als 300 Covid-Intensivpatienten werden.

Doch auch bei den bundeseinheitlichen Regeln könnte es bald wieder Änderungen geben. So gibt es in der Bundesregierung Überlegungen, einen 3G-Nachweis auch in Fernzügen und Inlandsflügen einzuführen. Aktuell müssen nur Reiserückkehrer aus dem Ausland in der Bahn oder im Flugzeug nachweisen, dass sie geimpft, genesen oder getestet sind. Noch ist allerdings offen, ob und wie eine solche Vorgabe auch bei innerdeutschen Fahrten kontrolliert werden kann.

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