CIA-Impfungen in Pakistan:Der Spion, der mich pikste

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Tolle Idee: Als Impfhelfer getarnte CIA-Mitarbeiter verabreichten in Pakistan Kindern Spritzen gegen Polio - und forschten eigentlich nach dem Verbleib von Osama bin Laden. Taliban-Führer kamen dem Geheimdienst auf die Schliche und stoppten das Impfprogramm. Dadurch ist nun das Ziel der Weltgesundheitsorganisation gefährdet, die Kinderlähmung ein für allemal weltweit auszurotten.

Christina Berndt

Die CIA war stolz auf ihren Coup. Ärztliche Impftrupps ziehen seit Langem auch durch abgeschiedenste Regionen Pakistans, um diese Gegenden endlich von der Kinderlähmung zu befreien, die weltweit fast ausgerottet ist. Nur in Pakistan, Afghanistan und Nigeria kursieren noch die gefährlichen Polio-Viren, die lebenslange Lähmungen oder auch den Tod bedeuten können. So schien es dem US-Nachrichtendienst eine brillante Idee zu sein, Mitarbeiter als Impfhelfer zu tarnen, um an Informationen über den Verbleib Osama bin Ladens zu kommen.

Was die CIA aber unberücksichtigt ließ: Gerade in ländlichen, muslimischen Gegenden beäugen die Menschen die Impfkampagnen schon lange kritisch. Immer wieder gibt es Gerüchte, die vom Westen initiierten Programme seien nur dazu da, die Bevölkerung mit HIV zu infizieren, die Mädchen zu sterilisieren oder die Kinder zu vergiften. So absurd die Gerüchte zum Teil waren: Sie bedeuteten immer wieder Rückschläge für die seit 1985 laufenden Polio-Ausrottungsbestrebungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

"Man kann sich kaum eine dümmere Unternehmung vorstellen"

Nun steht auch der Erfolg der Kampagne in Pakistan auf dem Spiel. "Es ist wirklich ein Problem für uns", sagte der Polioexperte der pakistanischen Regierung, Mazhar Nisar, der SZ. Ende Juni haben die Taliban-Führer von Nord- und Südwaziristan, zweier Regionen im Nordwesten des Landes, einen Impfstopp ausgerufen. Die Impfaktivitäten verschleierten womöglich doch nur eine Spionageaktion der USA, sagte einer der Führer. Dies geschieht ausgerechnet zu einer Zeit, da die Gelegenheit zur weltweiten Ausrottung der Kinderlähmung so günstig wäre wie nie zuvor: In Indien, wo die Seuche jahrelang ebenfalls besonders hartnäckig gewütet hat, treten seit eineinhalb Jahren keine neuen Fälle mehr auf.

"Man kann sich kaum eine dümmere Unternehmung als diese vorstellen", ärgert sich der Impfexperte Zulfiqar Bhutta von der Aga-Khan-Universität in Karatschi über die CIA-Aktion. Der Rückschlag für das Polioprogramm sei programmiert gewesen, sagte er der New York Times. Im Auftrag der CIA hatte der pakistanische Arzt Shakil Afridi ein Impfprogramm in Abbottabad vorgetäuscht und ohne Genehmigung Kindern Impfspritzen verabreicht.

Der im Mai von einem Stammesgericht wegen Landesverrats zu 33 Jahren Haft verurteilte Afridi sollte DNA-Proben sammeln und so Bin Ladens Anwesenheit in der Stadt nachweisen. Als die britische Zeitung Guardian die Aktion vor einem Jahr enthüllte, griffen Dorfbewohner echte Impftrupps an und beschimpften sie als Spione. Es habe die WHO große Mühe gekostet, Imams vom Sinn der Kampagne zu überzeugen, so Bhutta. Das Vertrauen zurückzugewinnen werde noch schwieriger sein.

Es ist ein Rückschlag, kein Zweifel", sagt auch Elias Durry, der für Pakistan zuständige WHO-Koordinator. Er hofft nun, dass der Bann nicht allzu lange währt, "damit das Programm nicht ernsthaft gefährdet wird". Bisher habe man Glück im Unglück, weil noch Anfang Juni viele Kinder der Gegend geimpft worden seien. In den kommenden Wochen werden die Folgen des Impfbanns offenbar werden. Denn während des Monsuns ist die Polio-Gefahr besonders groß. Die Viren mögen es warm und feucht.

© SZ vom 11.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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