China:Jahrestag mit Tränengas und Schlagstöcken

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So wurde der chinesische Nationalfeiertag in Hongkong begangen: Die Proteste begannen friedlich, dann kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. (Foto: Isaac Lawrence/AFP)
  • China hat seinen 70. Gründungstag gefeiert. Die größte Militärparade in der Geschichte des Landes sollte eigentlich eine Machtdemonstration werden.
  • In Hongkong kam es hingegen wieder zu Protesten. Dort zogen Hunderttausende durch die Innenstadt und in andere Stadtbezirke.
  • Erstmals wurde ein Demonstrant auch mit scharfer Munition angeschossen.

Von Lea Deuber, Hongkong

Mit 15 000 Soldaten, 160 Flugzeugen und 580 Panzern hat die Volksrepublik China am Dienstag ihren 70. Gründungstag gefeiert. Die größte Militärparade in der Geschichte des Landes sollte eigentlich eine Machtdemonstration werden. In einer Limousine stehend nahm Präsident Xi Jinping sie ab. "Es gibt keine Macht, die die Grundlagen dieser großen Nation erschüttern kann", sagte Xi, der auch Oberkommandierender der Truppen ist. "Keine Macht kann den Fortschritt des chinesischen Volkes und der Nation aufhalten." Der Präsident rief in seiner Rede am Platz des Himmlischen Friedens zur Einigkeit auf und versprach dem Land unter Führung der Kommunistischen Partei "noch mehr Wohlstand".

Überschattet wurden die Feierlichkeiten nicht nur vom dichten Smog, der über der Stadt hing. Was ungewöhnlich ist, weil die Regierung bereits vor Wochen Betrieben in der Umgebung eine Zwangspause verordnet hatte, um blauen Himmel zu garantieren. Schlimmer waren aber die Bilder aus der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong, wo erneut Hunderttausende durch die Innenstadt und in andere Stadtbezirke zogen.

Erstmals wurde ein Demonstrant mit scharfer Munition angeschossen

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Kommentar von Lea Deuber

Angekündigt war der Marsch als ein Protest gegen die "Unterdrückung Chinas durch die KP seit 70 Jahren". Die Menschen bezeichneten den Nationalfeiertag als Trauertag für Hongkong und warfen Papiergeld, wie es bei Trauerfeiern in China üblich ist. Die Behörden hatten die Versammlung zwar verboten. Die Menschen ignorierten diese Entscheidung aber einfach. Im Anschluss an zunächst friedliche Proteste kam es zu Ausschreitungen, die zu den massivsten Krawallen seit Beginn der Protestbewegung gehört haben dürften.

Erstmals wurde ein Demonstrant auch mit scharfer Munition angeschossen. Der junge Mann soll an der Brust getroffen und in ein Krankenhaus eingeliefert worden sein. Berichten zufolge befand er sich in einem kritischen Zustand. Mindestens 15 Menschen wurden so schwer verletzt, dass sie ins Krankenhaus mussten. Die Polizei soll am Dienstag mindestens fünf Schüsse mit scharfer Munition abgegeben haben. Zwei Warnschüsse wurden demnach abgefeuert, nachdem Polizisten von einer Gruppe Demonstranten angegriffen worden waren. Solche Warnschüsse hatte es bereits bei vorausgegangenen Demonstrationen gegeben.

Demonstranten legten Feuer und warfen Brandsätze

Auf einem in sozialen Netzwerken geteilten Video von dem Vorfall ist eine Kampfszene zwischen einer Gruppe Demonstranten und Polizisten zu sehen. Ein Mann geht mit einer Stange auf einen der Beamten los, daraufhin feuert der aus nächster Nähe. Der Demonstrant geht zu Boden.

Bei Ausschreitungen in mindestens fünf Stadtteilen blockierten Aktivisten Straßen, warfen Pflastersteine, legten Feuer und warfen Brandsätze. Die Hongkonger Innenstadt zwischen Central und Causeway Bay war über Stunden durch die Demonstranten besetzt. Das Liaison Office, die Vertretung der Zentralregierung in der Stadt, musste von einem massiven Polizeiaufgebot geschützt werden.

Am Nachmittag setzte die Polizei dort Tränengas, Schlagstöcke und Wasserwerfer ein, um die Demonstranten zurückzudrängen. Am Morgen waren Straßen und U-Bahnhöfe gesperrt. Über 20 der Stationen blieben bis zum Abend geschlossen. Mindestens 6000 Polizisten hielten sich bereit. Mehrere Einkaufszentren und Hunderte Geschäfte in der Stadt blieben geschlossen.

An den friedlichen Protestmärschen am Mittag nahmen Hongkonger jeden Alters teil. Obwohl der Veranstaltung eine offizielle Genehmigung fehlte und die Teilnahme dadurch illegal war, ließen sich die Menschen nicht aufhalten. Die Polizei hat in den vergangenen Wochen viele Hongkonger aufgrund der Teilnahme an solchen Märschen verhaftet.

Die Demonstranten wiederholten ihre fünf Forderungen an die Hongkonger Regierung. Darunter eine unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt und Straffreiheit für die Demonstranten, die in den vergangenen Monaten festgenommen wurden. Außerdem wollen die Hongkonger, dass die Proteste nicht mehr als Aufstand bezeichnet werden und dass Peking der Bevölkerung das Recht auf allgemeine und freie Wahlen zugesteht.

Regierungschefin Carrie Lam verbrachte den Nationalfeiertag nicht in der Stadt

Auch in Hongkong wurde trotz der Proteste der 70. Jahrestag gefeiert. Wenn auch notgedrungen deutlich kleiner. Abgeriegelt von der Öffentlichkeit fand im Messezentrum der Stadt eine Zeremonie nur für geladene Gäste statt. Eine Ehrengarde hisste die Nationalflagge an der goldenen Bauhinien-Statue, einem Wahrzeichen der Stadt. Zwei Helikopter mit einer chinesischen und einer etwas kleineren Hongkonger Fahne flogen über den Hafen entlang der Hongkonger Skyline. Ursprünglich war wie jedes Jahr ein Feuerwerk geplant. Das war bereits vor einiger Zeit abgesagt worden.

Regierungschefin Carrie Lam verbrachte den Feiertag nicht in der Stadt. Gemeinsam mit einer großen Delegation war sie zur Militärparade nach Peking gereist. Mit Blick auf die Proteste forderte Xi Jinping dort in seiner Rede "langfristige Stabilität" und bekräftigte den Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme", der der Bevölkerung in Hongkong weitreichende Grundrechte zusichern soll. Die Schwächung dieser Rechte durch Peking hatte die Demonstrationen im Sommer erst ausgelöst.

Gleichzeitig sprach Präsident Xi Jinping aber auch mit Blick auf Taiwan von dem Grundsatz einer "friedlichen Wiedervereinigung". Peking betrachtet die Inselrepublik als einen Teil Chinas. "Der Kampf für eine vollständige Wiedervereinigung des Vaterlandes muss fortgesetzt werden", sagte der Präsident.

© SZ vom 02.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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