CDU-Chefin:So reagiert die Welt auf Merkels Rückzug

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Verbündete in Sachen EU: Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron in Brüssel. (Foto: AP)
  • Frankreichs Staatspräsident Macron bezeichnet die Rückzugsankündigung von Kanzlerin Angela Merkel als "äußerst würdevoll".
  • Auch Polen äußert Respekt für die Entscheidung der Kanzlerin, den CDU-Vorsitz abzugeben und bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr anzutreten.
  • Europäische Medien kommentieren Merkels Rückzug eher melancholisch, nur von der russischen Presse kommt Kritik.
  • Die US-Regierung will Merkels Ankündigung nicht näher kommentieren.

Die Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum schrittweisen Rückzug aus der Politik hat in den Nachbarländern Respekt hervorgerufen. Merkel hatte am Montag angekündigt, nicht mehr für den CDU-Vorsitz zu kandidieren und ihr Amt als Bundeskanzlerin zum Ende der Legislaturperiode 2021 abzugeben.

Frankreich: Präsident Macron äußert "Bewunderung"

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bezeichnete den Schritt der Kanzlerin als "äußerst würdevoll". Angesichts des Aufstiegs rechter Kräfte in Deutschland und anderswo in Europa habe Merkels Entscheidung allerdings "nichts Beruhigendes", fügte der Präsident hinzu. Namentlich nannte er die rechtspopulistische AfD. "Ich sehe das als europäisches Phänomen, nicht nur als deutsches", fügte Macron hinzu. Gerade in Frankreich sei die Rechte besonders stark.

Die Kanzlerin regiere Deutschland "mit viel Mut", sagte Macron bei einer Pressekonferenz im Elysée-Palast. Er empfinde "Bewunderung" für Merkel. Besonders hob er ihr Eintreten für Europa hervor: "Sie hat niemals vergessen, was Europas Werte sind." Auf europäischer Ebene ist Merkel die wichtigste Verbündete des französischen Präsidenten.

Großbritannien: Guardian sagt Trauma voraus

Der Londoner Guardian kommentiert: "Merkel hat die deutsche Politik so lange dominiert, dass ihr Abgang zwangsläufig traumatisch sein muss. Sie hat sich konsequent für das deutsche Model der sozialen Marktwirtschaft eingesetzt - zu einer Zeit, da deren zwei Säulen, soziale Gerechtigkeit und solide Finanzen, herausgefordert wurden."

Die Londoner Times fürchtet, Merkels "langer Abschied" läute "eine Periode der Instabilität in der größten Volkswirtschaft Europas" ein. Sie prophezeit: "Der Machtkampf um ihre Nachfolge als Parteivorsitzende - sowie als Regierungschef - wird wahrscheinlich chaotisch."

Grund für die Befürchtung der Times ist, dass sich bereits drei prominente Kandidaten für die CDU-Spitze in Stellung gebracht haben. Der Amtsübergabe dürfte also ein innerparteilicher Wahlkampf vorausgehen.

Polen: Erleichterung über Konstanz im Kanzleramt

Polen würdigte, ähnlich wie Frankreich, Merkels Entscheidung und kündigte eine Zusammenarbeit bis zum Ende ihres Mandats an. Polens Außenminister Jacek Czaputowicz begrüßte am Montag in Warschau ausdrücklich Merkels Ankündigung, auch nach dem Verzicht auf den CDU-Vorsitz bis 2021 Bundeskanzlerin bleiben zu wollen. "Das Wichtigste für uns ist die Erklärung, dass Frau Merkel bis zum Ende ihres Mandats Kanzlerin bleibt", erklärte Czaputowicz.

Warschau erkenne Merkels "wichtige Rolle" bei der Reform der EU ebenso an wie ihren "wichtigen Platz in der Geschichte der Europäischen Union in den vergangenen Jahren", erklärte der Minister der rechtsnationalen polnischen Regierung.

Die linksliberale Zeitung Gazeta Wyborcza schreibt: "Die Dämmerung ihrer politischen Karriere ist für Polen eine schlechte Nachricht. In Deutschland hat in der jüngsten Geschichte noch kein Polen so wohlgesonnener Politiker regiert."

"Merkel ist den Hieben der eigenen Politik und der eigenen politischen Fehler erlegen", kritisiert hingegen Krzysztof Szczerski, Chef im Präsidialamt des polnischen Präsidenten Andrzej Duda. "Das ist kein Rückzug in Ruhm und Ehre."

Am Freitag reist Merkel mit mehreren Kabinettsmitgliedern zu den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen in die polnische Hauptstadt.

Italien: "Merkel als historischer Gigant"

Die italienische Zeitung Corriere della Sera schreibt: "Wir werden Angela Merkel nachtrauern. Die Deutschen, die sie seit 2005 als Kanzlerin hatten, haben die schlimmste Wirtschaftskrise eines Jahrhunderts unbeschadet überstanden. Und wir Europäer, die ihr Zögern erlebt haben, aber auch ihre Fähigkeit, immer das Richtige zu machen, wenn es angebracht war und es keine Alternative gab: Sei es die Griechenlandkrise oder die Flüchtlingskrise im Jahr 2015. Jetzt, wo ihre Dämmerung begonnen hat, zeichnet sich Merkel als historischer Gigant in diesem Stückchen des Jahrtausends ab."

Ob die italienische Regierung sich ähnlich melancholisch fühlt, hat sie noch nicht mitgeteilt. Seit der Parlamentswahl im Frühjahr regiert in Rom eine Koalition aus Rechten und Populisten, die bei Deutschland und den anderen EU-Mitgliedern immer wieder aneckt. Neben der Flüchtlingspolitik leiden die Beziehungen aktuell vor allem an Italiens Schuldenpolitik.

Nach der Wahl in Hessen hatte sich der rechtspopulistische Innenminister Matteo Salvini hocherfreut gezeigt: "Die einzige Nachricht, die heute aus Deutschland von den Regionalwahlen in Hessen kommt, ist, dass die in Brüssel regierenden Parteien einen epochalen Hammerschlag abbekommen haben", sagte der Chef der rechten Lega-Partei am Sonntag bei einer Veranstaltung in der Nähe von Mailand. "Die sogenannte Rechte und die Grünen sind um zehn Punkte gestiegen, daher schöne Grüße an die Merkel und die Freunde der Bundesbank", fügte er hinzu.

Luigi Di Maio, Vize-Premier und Chef der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, schreibt allerdings versöhnlich auf Facebook: "Sie ist eine Frau des Wortes, und ich muss anerkennen, dass sie großen Respekt für die wirtschaftlichen Entscheidungen unserer Regierung hatte - so wie sich ihre ganze Regierung extrem korrekt gegenüber Italien verhalten hat. Ich wünsche ihr viel Glück für all das, das sie in ihrem Leben machen will, wenn ihr Mandat enden wird."

Russland: Die Presse reagiert kritisch bis bissig

Die Moskauer Wirtschaftszeitung Wedomosti kann die Aufregung nicht nachvollziehen: "Da hat die CDU in einer eher unwichtigen Region 11 Prozent verloren! Na und! Ist das eine Tragödie?" Das fragt das Blatt und weist darauf hin, dass Merkel ja noch drei Jahre als Kanzlerin vor sich habe: "Da kann man Berge versetzen! Da kann man fünf Parteien gründen und aufbauen als Spielverderber und Doppelgänger, um der Konkurrenz Stimmen wegzunehmen. Man kann der AfD irgendetwas Unverzeihliches vorwerfen - zum Beispiel eine Verschwörung mit Russland zwecks Beeinflussung der Wahlen."

Weniger bissig, aber ähnlich kritisch, reagiert die russische Tageszeitung Iswestija: "Merkel hat ihr Angebot in einem politischen Handel gemacht: Sie gibt die Parteiführung ab und tritt bei der Wahl nicht mehr an und bekommt dafür, dass sie die Wahlperiode als Kanzlerin beenden darf."

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagt zu Merkels Rückzug: "Das ist eine innere Angelegenheit Deutschlands. Im Gegensatz zu dem, was einige westliche Kollegen behaupten, hat sich Russland nie eingemischt und greift auch nie in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ein."

USA: "interne Angelegenheit"

Auch das Weiße Haus hat Merkels Entscheidung als "interne Angelegenheit für die Kanzlerin und das deutsche Volk" bewertet. Sprecherin Sarah Sanders kündigte an, dass die Regierung von Präsident Donald Trump weiter mit Merkel zusammenarbeiten und "diese Beziehung fortentwickeln" wolle. Näher äußerte sie sich zu der Entscheidung Merkels nicht.

Trump hatte Merkel und die Bundesregierung in der Vergangenheit immer wieder hart kritisiert, unter anderem wegen der deutschen Flüchtlingspolitik und der aus seiner Sicht "unfairen" Handelsbeziehungen. Auch die Verteidigungsausgaben hält Trump für zu niedrig. In den vergangenen Monaten kritisierte er zudem die geplante Pipeline Nord Stream 2 für Gaslieferungen aus Russland nach Deutschland.

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