Wahl des CDU-Vorsitzenden:Chefin bleibt in jedem Fall Merkel

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Egal, wer zum neuen CDU-Vorsitzenden gewählt wird, er wird es schwer haben - denn solange Corona das Geschehen bestimmt, bleibt die Kanzlerin das Zentrum der Macht.

Von Nico Fried, Berlin

Als Angela Merkel im Herbst 2018 ankündigte, den CDU-Vorsitz abzugeben, konnte sie keineswegs sicher sein, als Kanzlerin noch eine volle Legislaturperiode politisch durchzustehen. Hinter der CDU lagen reihenweise lausige Wahlergebnisse, bei den persönlichen Umfragewerten hatte Merkel auch schon bessere Tage gesehen. Und der politische Ehrgeiz des einen oder anderen Nachfolgekandidaten war mit der Vorstellung einer friedlichen Ko-Existenz neben der Kanzlerin kaum in Einklang zu bringen.

Zweieinhalb Jahre später sieht die Sache anders aus: An diesem Samstag wählt die CDU nach der glücklosen Amtszeit Annegret Kramp-Karrenbauers bereits zum zweiten Mal einen Nachfolger im Parteivorsitz. Als CDU-Mitglied wird Merkel die Entscheidung nicht gleichgültig verfolgen - die Kanzlerin Merkel aber weiß: Mindestens für die nächsten Wochen ist es ziemlich egal, wer unter ihr CDU-Chef ist. Solange die Corona-Pandemie das öffentliche Bewusstsein dominiert, bleibt die Kanzlerin im Mittelpunkt des Interesses und damit das Zentrum der Macht auch in der Partei.

Als am Donnerstagabend die Führungsgremien der CDU tagten, erhielten die drei Kandidaten für den Vorsitz bereits einen Vorgeschmack darauf, was den Sieger erwartet. Armin Laschet gehört der Spitze als stellvertretender Parteivorsitzender sowieso an, Norbert Röttgen und Friedrich Merz waren der Videokonferenz als Gäste zugeschaltet. Merkel referierte ausführlich über den Stand der Pandemie, sprach mit Blick auf die Gefahr durch eine Mutation des Virus von einem Wettlauf gegen die Zeit und ließ keinen Zweifel daran, dass aus ihrer Sicht schnell weitere Beschränkungen des öffentlichen Lebens notwendig sind.

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Die Kanzlerin redete am Ende des Tages, an dem in Deutschland die höchste Zahl an Todesfällen in Verbindung mit dem Virus gemeldet worden war. Sie erhielt Unterstützung von Ministerpräsidenten wie Volker Bouffier aus Hessen und Tobias Hans aus dem Saarland. Weitere Teilnehmer schilderten die Stimmung insgesamt später als "sehr besorgt". Die drei Kandidaten äußerten sich nicht. Noch bevor der neue CDU-Vorsitzende am Freitag der kommenden Woche nach Auszählung der Briefwahl offiziell ins Amt kommt, dürfte sich Merkel mit allen 16 Ministerpräsidenten bereits über einen verschärften Shutdown verständigt haben. Die Zukunft steht dem neuen CDU-Chef offen, aber das Land ist einstweilen ziemlich zu.

Um neben dem Parteivorsitz auch die Kanzlerkandidatur zu erobern, muss der neue Mann an der Spitze der CDU nach seiner Wahl schnell an Statur gewinnen. Eine Profilierung auf Kosten Merkels erscheint allerdings nicht empfehlenswert. Sie wirbt um weitere Vorsichtsmaßnahmen mit dem Nimbus einer Kanzlerin, die zumindest mit der Einschätzung der Lage im vergangenen Jahr meistens richtig gelegen hat - und wenn sie falsch lag, dann weil es noch schlimmer kam, als Merkel prognostiziert hatte.

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Söders Schmusekurs mit Merkel ist unübertroffen

Auch der Popularität der beiden anderen möglichen Kanzlerkandidaten, Markus Söder und Jens Spahn, hat es nicht geschadet, dass sie sich 2020 politisch nie weit von Merkel entfernten. Spahn und Söder hatten in der Vergangenheit und vor allem in der Flüchtlingspolitik häufig als Kritiker der Kanzlerin Aufmerksamkeit gefunden. In der Corona-Pandemie gehörte vor allem Söder von Beginn an zu den wichtigsten Unterstützern einer besonders strikten Linie, und selbstredend ließ sich der bayerische Ministerpräsident auch auf seinem Schmusekurs mit Merkel von niemandem übertreffen.

Ein möglicher, aber unwahrscheinlicher CDU-Chef Norbert Röttgen hätte wohl die wenigsten Probleme, sich in Merkels Pandemie-Bekämpfung einzureihen. Röttgen hat sich schon im Wahlkampf um den Parteivorsitz meistens andere Themen gesucht, vor allem in der Außenpolitik. Armin Laschet hingegen war als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident immer eingebunden. Er suchte vor allem in der ersten Welle bisweilen die öffentliche Distanz zum Kanzleramt, setzte der Radikalität mancher Beschränkung gerne die Abwägung zwischen verschiedenen Werten entgegen, geriet so aber in den Ruf des Zauderers. Nun muss er gegen den Ruf ankämpfen, zu jenen Länderchefs zu gehören, die auf die zweite Welle der Pandemie nicht entschlossen genug reagierten.

Besonders interessant wäre die Konfrontation zwischen Kanzlerin und Parteichef allerdings, sollte Friedrich Merz das Rennen machen. Persönliche Sympathie zwischen beiden wäre auch unter dem Mikroskop nicht zu finden, in der Sache hat sich Merz erst jüngst noch einmal zu den Kritikern der Regierungslinie gesellt. Am vergangenen Montag sprach sich Merz dafür aus, vor allem für kleine und mittlere Unternehmen die Auflagen zu lockern. Sollte er das als gewählter Parteichef wiederholen, dürfte Merkel auch in diesem individuellen Fall eine verschärfte Kontaktbeschränkung suchen.

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