Gedenken in Bielefeld:Toter Bundeswehrsoldat mit Straßenschild geehrt

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Bundeswehrsoldaten 2013 im Feldlagers Kundus, Afghanistan. (Foto: dpa)

2010 starb der Soldat Martin Kadir Augustyniak aus Bielefeld in Afghanistan. Nun kommt sein Name auf ein Straßenschild. Die örtliche SPD tut sich schwer mit díeser Entscheidung.

Von Alexander Menden, Bielefeld

Am 2. April 2010 starb der deutsche Hauptgefreite Martin Kadir Augustyniak nach einem Gefecht mit den Taliban westlich von Kundus, als der Wagen, in dem er saß, von einer Sprengfalle zerrissen wurde. Der 28-Jährige war einer von drei Bundeswehrsoldaten vom Fallschirmjägerbataillon 373, die an jenem Karfreitag beim Bundeswehreinsatz in Afghanistan fielen.

Augustyniak hinterließ eine Frau und einen damals dreijährigen Sohn. Bei der Trauerfeier im darauffolgenden April sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Ich verneige mich vor Ihnen. Deutschland verneigt sich vor Ihnen." Nun wird Augustyniak auch von seiner Heimatstadt Bielefeld gewürdigt: Im Bezirk Brackwede wird künftig ein Platz seinen Namen tragen.

Doch der Weg dahin war alles andere als unkompliziert, da die SPD, die größte Fraktion der Brackweder Bezirksvertretung, zwischenzeitlich ihre Haltung zu dieser Form des Gedenkens geändert hatte.

Ursprünglich hatte die Bezirksvertretung im Januar 2019 mit den Stimmen der SPD beschlossen, einen kleinen Platz im Stadtteil Quelle nach Augustyniak zu benennen. Dort steht bereits eine Granitbank, auf der sein Name eingraviert ist. Seine Mutter Ursula Wolf, die in der Nähe wohnt, war gegen Augustyniaks Einsatz am Hindukusch gewesen, hatte seine Entscheidung aber akzeptiert. Acht Jahre nach seinem Tod stellte sie einen Bürgerantrag, eine Straße oder einen Platz nach ihrem Sohn zu benennen.

Angst vor politischem Missbrauch

Die Debatte währte mehrere Monate. Dann gab die Brackweder Bezirksvertretung dem Antrag statt; einzig die Fraktion der Linken stimmte dagegen. Schon damals kritisierte CDU-Fraktionschef Carsten Krumhöfner, die Diskussion hätte "viel zu lange gedauert".

Am Donnerstag vergangener Woche sollte nun die offizielle Einweihung des Augustyniak-Platzes erfolgen. Doch kurz davor gab die SPD bekannt, die Widmung nun doch nicht mittragen zu wollen. SPD-Bezirkschef Hans-Werner Plaßmann sprach davon, man habe "das Gefühl, dass dieser Platz zu einem Heldenverehrungsort aufgebaut werden" solle. Auch der Begriff "rechter Kultort" fiel. Die jüngsten Enthüllungen über rechtsextreme Tendenzen innerhalb der Bundeswehr hätten zu dem Sinneswandel beigetragen.

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Die Kehrtwende sorgte nicht nur in Bielefeld selbst für scharfe Kritik. Unter anderem ließ Schauspieler Til Schweiger über Instagram wissen, er sei "fassungslos und traurig". Auch Bielefelds Oberbürgermeister Pit Clausen, selbst SPD, bedauerte die Entscheidung. Er betonte, er halte sie für falsch, und habe seine Parteifreundin, Bezirksbürgermeisterin Regina Kopp-Herr gebeten, dies zu korrigieren.

Diese Korrektur erfolgte nun schriftlich. "Uns trieb und treibt die Sorge um, dass dieser Platz dann nicht allein dem Gedenken von Martin Augustyniak dient, sondern politisch missbraucht wird", so die SPD Brackwede in einer Stellungnahme.

Es sei der Fraktion nicht bewusst gewesen, dass mit der Entscheidung, den Platz nach Augustyniak zu benennen, so starke Erwartungen geweckt worden seien und "dass wir mit unserer Entscheidung viele Gefühle verletzt haben". Dafür entschuldige man sich. Die SPD Brackwede empfiehlt nun uneingeschränkt die Benennung des Platzes nach Augustyniak.

© SZ vom 28.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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