Bundeswehrreform:Der Charme der Freiwilligkeit

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Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg will die Bundeswehr drastisch verkleinern. Doch wie ein freiwilliger Wehrdienst aussehen soll, weiß noch keiner.

Peter Blechschmidt

Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst." Die legendäre Aufforderung des einstigen amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy erfährt in diesen Tagen eine Neuauflage. "Tu was für dein Land", appelliert der Verband der Reservisten der Bundeswehr an junge Männer und wirbt so für einen freiwilligen Wehrdienst, der nach Lage der Dinge in naher Zukunft die Wehrpflicht ersetzen wird.

Noch gibt es keine konkreten Vorschläge, wie ein freiwilliger Wehrdienst ausgestaltet sein könnte. Ein Bundeswehrsoldate bei Masar-i-Scharif. (Foto: dpa)

Für den Vizevorsitzenden des Verbandes, Roderich Kiesewetter, geht es dabei nicht nur darum, durch eine angemessene Bezahlung und eine interessante Ausgestaltung des Dienstes genügend Bewerber zu gewinnen. Der Gedanke, durch freiwilliges Dienen einen Beitrag zum Nutzen der Gesellschaft zu leisten, hat für Kiesewetter einen hohen Stellenwert.

Diese Betonung des Gemeinnützigen ist möglicherweise die Brücke zu den vielen in CDU und CSU, die partout an der Wehrpflicht als einem Markenkern der Union festhalten wollen. Für sie ist die Wehrpflicht Ausdruck dafür, dass die Bundeswehr in der Gesellschaft verankert ist. Eine zusätzliche ideelle Motivation der freiwillig Dienenden würde der Quasi-Abschaffung der Wehrpflicht sozusagen den moralischen Makel nehmen.

Die nach wie vor starke Gruppe der Wehrpflichtbefürworter muss Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gewinnen, wenn er mit seinem Konzept einer drastischen Verkleinerung der Bundeswehr von jetzt 250.000 auf etwa 165.000 Soldaten am Ende Erfolg haben will. Noch gibt es keine konkreten Vorschläge, wie ein freiwilliger Wehrdienst ausgestaltet sein könnte.

Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold hält denn auch die Zahl von 7500 Freiwilligen, wie sie in dem von Guttenberg derzeit bevorzugten Personalmodell enthalten ist, für ein "Placebo", um die Wehrpflichtanhänger in der Union zu beruhigen. 7500 Freiwillige seien viel zu wenig, um genügend Nachwuchs für die Bundeswehr zu gewinnen, sagt Arnold. Immerhin war ein wesentliches Argument für ein Festhalten an der Wehrpflicht bisher auch, dass die Bundeswehr rund 40 Prozent ihrer Zeit- und Berufssoldaten aus der Gruppe der Wehrpflichtigen rekrutiert.

Breite Bundestagsmehrheit für Freiwilligen-Armee

Von den Wehrpflichtbefürwortern in der Union abgesehen, deren zahlenmäßige Stärke derzeit schwer abzuschätzen ist, gibt es im Bundestag eine breite Mehrheit für eine irgendwie geartete Freiwilligen-Armee. Die Linke und auch die Grünen würden die Wehrpflicht am liebsten völlig abschaffen.

SPD und FDP plädieren für eine "Aussetzung", eine Idee, die nun auch im Verteidigungsministerium und in Teilen der Union als Königsweg gesehen wird. Dabei bliebe der Artikel 12a des Grundgesetzes unverändert, in dem es heißt: "Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden."

In der Praxis würde diese Kann-Vorschrift allerdings nicht mehr angewendet. Der Staat könnte jedoch mit einem einfachen Gesetz wieder darauf zurückgreifen, wenn dies notwendig werden sollte - entweder in einer Krisensituation oder bei gravierendem Personalmangel.

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Ungeachtet der Dynamik, die das Thema Wehrreform unter dem Sparzwang der öffentlichen Haushalte und dem forschen Agieren des Verteidigungsministers gewonnen hat, ist noch offen, wie ein freiwilliger Dienst funktionieren könnte. Nach den Vorstellungen der Bundeswehrplaner sollten junge Männer im wehrfähigen Alter auch in Zukunft bei den Kreiswehrersatzämtern oder bei einer Nachfolgeorganisation zur Nachwuchsgewinnung "erfasst" werden.

Diese Stelle würde die Männer dann anschreiben und auf die Möglichkeit eines freiwilligen Dienstes hinweisen. Zeigt ein junger Mann Interesse, könnten auf individueller Basis die Wünsche des Bewerbers mit den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Bundeswehr abgeglichen und seine Tauglichkeit getestet werden.

Dies erfordert sehr flexible Strukturen bei der Bundeswehr. Die Dauer des Wehrdienstes würde sich nach den Erfordernissen der angestrebten Verwendung richten. Sie sollte nach derzeitigen Überlegungen mindestens sieben und höchsten 23 Monate betragen. Auch Auslandseinsätze sollen möglich sein. Frauen soll der freiwillige Dienst ebenfalls offenstehen, was jedoch eine Gesetzesänderung erfordern würde.

Eine flächendeckende Musterung der wehrfähigen jungen Männer würde entfallen. Sie wäre bei einer generellen Aussetzung der Wehrpflicht rechtswidrig, weil der Zweck der Musterung, nämlich festzustellen, ob der Betreffende für den Grundwehrdienst verfügbar ist, entfiele.

Deshalb ist nach Meinung der Experten in Union und FDP auch das Freiwilligen-Modell der SPD untauglich. Es sieht vor, die jungen Männer nicht nur zu erfassen, sondern auch zu mustern. Bei der Musterung sollen sie dann angeben, ob sie zum Dienst in der Bundeswehr bereit sind. Eingezogen werden sollen nur noch die Freiwilligen.

Allerdings will die SPD bislang dann zum Mittel der Einberufung greifen, wenn die Zahl der freiwillig Dienenden nicht ausreicht. Union und FDP halten dies für verfassungswidrig, weil dann eine "Rest-Wehrpflicht" bliebe. Die Positionen von SPD, FDP und Reformern in der Union sind jedoch nicht so weit auseinander, dass nicht eine gemeinsame Lösung gefunden werden könnte.

Einig sind sich alle Beteiligten aber zumindest in einem Punkt: Nur eine nach Aufgabe und Bezahlung attraktive Bundeswehr kann im zunehmenden Wettbewerb mit der Privatwirtschaft um fähigen Nachwuchs bestehen.

© SZ vom 14.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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