Bundeswehrreform:De Maizières Dienst an der Gesellschaft

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Die größte Reform in der Geschichte der Bundeswehr: Verteidigungsminister de Mazière hat sie in nur zehn Monaten auf den Weg gebracht und eine gute Figur dabei gemacht. Jetzt steht die mühsame Umsetzung bevor. De Maizière macht sich mit preußischem Pflichtbewusstsein daran - und hat deshalb auch das Zeug zum Kanzler.

Peter Blechschmidt

Alle reden von der schwarz-gelben Chaostruppe. Dabei wird übersehen, dass mindestens ein Mitglied des Kabinetts Merkel eine beachtliche Jahresbilanz vorzuweisen hat - Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Gerade mal zehn Monate im Amt, hat der 57-jährige CDU-Politiker die größte Reform seit Gründung der Bundeswehr auf den Weg gebracht.

Preußisch-korrekt und leise - das ist der Stil von Verteidiungsmininister Thomas de Maiziere (hier vergangene Woche bei einem Truppenbesuch in Afghanistan). Begeisterung vermag er bei den Soldaten vielleicht nicht zu wecken. Aber er genießt Respekt und Vertrauen. (Foto: dapd)

Dass dies relativ wenig öffentliche Beachtung findet, liegt am Gewicht anderer Themen wie der Euro-Rettung und der Energiewende. Es hat aber auch mit der Geräuschlosigkeit zu tun, mit der de Maizière zu Werke geht.

Ein größerer Kontrast als zwischen dem preußisch-korrekten, leisen de Maizière und seinem plagiierenden, sich selbst inszenierenden Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg ist kaum vorstellbar. Guttenberg hat der Bundeswehr viel Öffentlichkeitswirkung verschafft und damit unter den Soldaten wahre Fans gefunden. De Maizière, der Sohn des vierten Generalinspekteurs, vermag so viel Begeisterung nicht zu wecken. Aber er genießt Respekt und Vertrauen.

Meisterleistung in Organisation und Teamwork

Das ist das bessere Rüstzeug für seine Herkulesaufgabe. Bis jetzt steht die Neuausrichtung der Bundeswehr nur auf dem Papier. Gewiss, wie der Minister, sein Staatssekretär Stéphane Beemelmans und Generalinspekteur Volker Wieker die komplexe Planung in nur wenigen Monaten auf die Beine gestellt haben, war eine Meisterleistung in Organisation und Teamwork.

Doch nun beginnen die Mühen der Umsetzung. Und an der Realität ist erfahrungsgemäß schon so mancher schöne Plan zerschellt.

Die Reform sei demographiefest und solide finanziert, versichert de Maizière. Demographiefest soll heißen, dass es angeblich ausreichend Nachwuchs gibt, um auch ohne die Wehrpflicht den Personalbedarf der künftigen Bundeswehr von mindestens 175.000 Mann zu sichern. Angesichts der hohen Zahl von mehr als 27 Prozent Abbrechern im neuen freiwilligen Wehrdienst sind Zweifel angebracht.

Gut möglich, dass allein die Mittel für Nachwuchswerbung und attraktive Besoldung schon bald nicht mehr ausreichen. Von anderem Finanzierungsbedarf - etwa für Massenumzüge als Folge von Standortschließungen und für neue Ausrüstung der Truppe im Einsatz - ganz zu schweigen. Kaum Spielraum hat de Maizière in der Rüstung, wo 95 Prozent der Ausgaben auf lange Zeit verplant sind.

Hohe Risiken allenthalben

Der Minister sucht das Gespräch mit der Industrie, um alte Beschaffungsverträge den neuen Erfordernissen anzupassen. Doch die Kompromissbereitschaft der Hersteller ist begrenzt; auch sie unterliegen wirtschaftlichen Zwängen. Hohe Risiken allenthalben für die angeblich solide Finanzierung.

Die womöglich schwerste Aufgabe steht de Maizière in der Menschenführung bevor. Bei dem notwendigen Personalabbau muss er die jeweils Richtigen zum freiwilligen Ausscheiden beziehungsweise zum Bleiben motivieren. Er muss den Antagonismus zwischen Militärs und Zivilbediensteten überwinden. Er muss neues Denken anstoßen, bei dem der Eigennutz das Gemeinwohl nicht völlig überlagert. Ein heikles Unterfangen, wie sein Scheitern bei dem Versuch zeigt, den Schwerpunkt des Ministeriums von Bonn nach Berlin zu verlagern.

De Maizière betont oft, dass der Soldatenberuf kein Broterwerb wie jeder andere sei. Vom Dienst an der Gesellschaft ist häufig die Rede und von der Ehre, die dieser Dienst bedeutet. Demut und Bescheidenheit sind auch Tugenden, die de Maizière für sich selbst in Anspruch nimmt. Dabei sollte man freilich seinen persönlichen Ehrgeiz nicht unterschätzen.

De Maizière traut sich, das darf man getrost unterstellen, auch die Kanzlerschaft zu. Angela Merkel stützt er loyal wie kaum ein zweiter in der CDU. Gleichwohl stünde er bereit, wenn einmal ihr Nachfolger gesucht würde. Am Ende würde er auch dies als preußische Pflichterfüllung deklarieren - voll innerer Genugtuung.

© SZ vom 27.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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