Bundeswehr:Zu schwach für die Nato?

Lesezeit: 2 min

Zeichnet ein düsteres Bild von der Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr: Generalleutnant Alfons Mais, seit 2020 Inspekteur des Heeres. (Foto: Sebastian Kahnert/DPA)

Eine voll ausgestattete Heeresdivision bis 2025 - so lautet ein deutsches Versprechen an das Verteidigungsbündnis. Von der Realität sieht der Inspekteur des Heeres diese Zusage weit entfernt.

Von Mike Szymanski, Berlin

Nach fast drei Monaten im Amt holen den neuen Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nach und nach all die Probleme ein, die schon seine Vorgängerinnen plagten. So hatte sich seine Parteikollegin Christine Lambrecht am Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine von Heeresinspekteur Alfons Mais via Social Media darüber in Kenntnis setzen lassen müssen, dass die Landstreitkräfte angesichts der neuen Bedrohungen "mehr oder weniger blank" dastünden. Ähnlich unerfreuliche Post flatterte kürzlich auch Pistorius ins Haus.

In Form einer routinemäßigen "Führungsmeldung" aus dem März an den Generalinspekteur, den ranghöchsten Soldaten und einen der engsten Mitarbeiter Pistorius', zeichnet Generalleutnant Mais ein düsteres Bild von Deutschlands Zusagen an die Nato. Die Bild hat am Montag darüber berichtet. Konkret geht es um eine voll ausgestattete Heeresdivision, die Deutschland der Nato in Lambrechts Amtszeit als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg zwei Jahre früher als geplant, nämlich schon 2025, zugesagt hatte.

Die Heeresdivision wäre nur "bedingt" einsatzbereit

Mais geht davon aus, dass diese Heeresdivision, die etwa 15 000 Soldaten umfassen soll, nur "bedingt" einsatzbereit sein wird. Denn es fehlt in der Bundeswehr weiterhin an fast allem: Personal, Gerät, Munition. "Zurzeit würden selbst bei Rückgriff auf die Bestände des gesamten Heeres 256 von insgesamt 1139 Positionen zu weniger als 60 Prozent verfügbar sein", zitiert die Bild aus dem Brief des Heeresinspekteurs. Das Ministerium erklärte, zu vertraulichen Dokumenten äußere man sich nicht, die Nato könne sich aber darauf verlassen, dass Deutschland zu seinen Zusagen stehe.

Die Jahre, in denen sich die Bundeswehr auf Auslandseinsätze konzentrierte, haben die Truppe grundlegend verändert. Die Politik glaubte, beispielsweise keine großen, schweren Panzerverbände mehr vorhalten zu müssen. Bereits im November hatte Mais im Interview mit der Süddeutschen Zeitung die schwierige Lage im Heer beschrieben. Die Verbände seien aus dem Stand nicht fähig, Landes- und Bündnisverteidigung sicherzustellen: "Wir verfügen derzeit über keine komplette deutsche Brigade, die sofort und ohne längere Vorbereitungszeit in der Lage wäre, einen Kampfauftrag über mehrere Wochen durchzuführen." Dabei ist eine Brigade sogar deutlich kleiner als eine Division. Die Aussage zeigt, wie weit die Bundeswehr von ihren Zielen entfernt ist.

Trotz neuer Aufgaben schrumpft die Bundeswehr gerade

Und selbst wenn umgehend beispielsweise neue Leopard-Kampfpanzer bestellt würden, um die Bestände aufzufüllen: Sie kämen nicht rechtzeitig bis 2025. Kunden müssen sich bei der Rüstungsindustrie auf Wartezeiten von deutlich mehr als zwei Jahren für Panzer einstellen.

Zudem haben die Materialabgaben an die Ukraine die Bundeswehr inzwischen weiter geschwächt. Zum Beispiel hat Deutschland dem Land 18 moderne Leopard 2 A6 überlassen. Die Bundeswehr verfügt auf dem Papier über 319 Leopard- 2-Panzer, von denen aber Dutzende zur Umrüstung bei der Industrie stehen. Von denen, die in der Truppe tatsächlich im Herbst unterwegs waren, galten wiederum etliche als nicht einsatzklar. Deshalb bedeuten 18 Leopard-2-Panzer für die Ukraine einen erheblichen Eingriff in die Bestände der Bundeswehr. Sie schrumpft gerade, obwohl neue Aufgaben auf sie zukommen und die Nato immer neue Anforderungen stellt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBundeswehr
:"Wir haben einen riesigen Aufholbedarf"

Heeresinspekteur Alfons Mais hält seine Truppe immer noch nicht für voll einsatzfähig - und das wird auch noch eine ganze Weile so bleiben. Ein Gespräch über Materialmangel, das Sondervermögen und neue Bedrohungen.

Interview von Mike Szymanski

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: