Die Bundeswehr bekommt nach Jahren der Diskussion neue Transporthubschrauber. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hat entschieden, 60 Maschinen vom Typ Chinook CH-47F des US-Herstellers Boeing anzuschaffen. Sie sollen die 50 Jahren alten Helikopter der Bundeswehr ersetzen. Das Geld kommt aus dem neuen Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, mit dem die Bundeswehr modernisiert werden soll. Die Süddeutsche Zeitung hat mit Oberst Christian Mayer, Kommodore des Hubschraubergeschwaders 64, über die Bedeutung des sechs Milliarden Euro teuren Rüstungsvorhabens gesprochen. Ihm sind die Transporthubschrauber unterstellt.
SZ: Herr Mayer, was können die neuen Transporthubschrauber vom Typ Chinook, was die alten CH-53 der Bundeswehr nicht können?
Christian Mayer: Die neuen Hubschrauber können etwa doppelt so viel Last transportieren. Die Maschinen sind in der Lage, in der Luft betankt zu werden. Das sind zwei wesentliche Punkte, die unsere Fähigkeiten erhöhen. Insgesamt bekommen wir einen Hubschrauber, der technisch gesehen zwei Generationen weiter ist als unsere 50 Jahre alten CH-53.
Was kann denn so ein Hubschrauber heben?
Wir können zum Beispiel Gefechtsfahrzeuge transportieren. Die Fallschirmjäger sind oft mit dem Wiesel unterwegs. Das ist ein leicht gepanzertes Kettenfahrzeug, das fast fünf Tonnen wiegt. Den Wiesel und auch seinen Nachfolger können wir leicht an den Außenlasthaken hängen, gegebenenfalls sogar zwei. Aber auch andere Gefechtsfahrzeuge wie zum Beispiel den Mungo, den Enok oder den Eagle können wir als Außenlast verbringen. Das schaffen die neuen Hubschrauber locker. Mit den alten Maschinen würden wir Probleme bekommen. In den Laderaum der Chinook passen bis zu 50 voll ausgerüstete Soldatinnen und Soldaten.
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Was ändert sich durch die Fähigkeit zur Luftbetankung?
Die Reichweite und die mögliche Stehzeit in der Luft ändern sich. Wenn ich ein Tankflugzeug zur Verfügung habe, müssen die Hubschrauber lange Anmarschstrecken nicht mehr in Einzeletappen zurücklegen. Unsere alten Maschinen müssen für weit entfernte Evakuierungsoperationen oder für Auslandseinsätze auseinandergebaut und per Frachtflugzeuge ins Einsatzland gebracht werden. Das können wir uns jetzt ersparen. Mit Luftbetankung schaffen wir es in ungefähr zehn Stunden reiner Flugzeit beispielsweise bis nach Nordafrika.
Die Bundeswehr konzentriert sich jetzt wieder auf Bündnis- und Landesverteidigung. Wie helfen die Hubschrauber dabei?
Schwere Transporthubschrauber brauchen wir für den taktischen Lufttransport. Das bedeutet, für das Verlegen von Kampftruppe und deren Material im Einsatz. Genauso dienen die Maschinen dem Rücktransport verwundeter Kameraden aus einer Gefechtszone. Wir bekommen 60 neue Maschinen. Die alte Flotte wird zahlenmäßig komplett ersetzt. Aber die neuen Hubschrauber sind leistungsfähiger und hochmodern. Wir werden damit über einen hohen Stand an einsatzbereiten Maschinen verfügen. Davon profitieren auch die Bündnispartner. Die Hubschrauber sind zudem aber auch für den Heimatschutz geeignet, das heißt zur Unterstützung etwa bei Hochwasser- sowie Schneekatastrophen und bei Waldbränden.
Welche Variante des Chinooks schafft die Bundeswehr genau an?
Das wird die sogenannte CH-47 Foxtrott sein, in der Version Block II mit Luftbetankungsfähigkeit. Das ist die aktuellste Version.
Die Chinooks haben einen Tandemrotor. Was ist der Vorteil?
Ich sehe zwei Vorteile: Klassische Hubschrauber mit einem Heckrotor kommen bei großer Hitze und in großen Höhen, etwa in gebirgigem Gelände wie in Afghanistan, an ihre Grenzen. Das hängt mit der Aerodynamik zusammen. Vereinfacht dargestellt ist irgendwann die Effektivität des Heckrotors nicht mehr gegeben. Schlimmstenfalls fängt der Hubschrauber unkontrolliert zu drehen an, weil der Heckrotor nicht mehr genügend Leistung erbringt um die Richtung zu halten. Das passiert bei einem Hubschrauber mit zwei Hauptrotoren wie der Chinook nicht. Der zweite Vorteil: Die Truppe kommt von allen Seiten besser an den Hubschrauber heran, weil die beiden Rotoren oben drauf sind und der Heckrotor quasi nicht im Weg ist. Das macht es schneller und vor allem ungefährlicher, wenn sich beispielsweise bei Nacht Infanteristen mit ihren Fahrzeugen dem Hubschrauber nähern oder diesen taktisch schnell verlassen müssen.
Es stand ein Konkurrenzmodell zur Auswahl, das moderner und leistungsfähiger sein soll. Hätten Sie diesen Hubschrauber nicht lieber gehabt?
Nein. Wir sind froh, dass nach einer langen Zeit des Wartens die Entscheidung für Nachfolger der betagten CH-53 Maschinen getroffen worden ist. Aus meiner Sicht als Verbandsführer bekommen wir einen hochmodernen, schnell verfügbaren und mit Partnernationen voll kompatiblen Hubschrauber. Acht Nato-Nationen fliegen CH-47, auf deren Erfahrungen können wir zurückgreifen. Das erleichtert uns den Einstieg in dieses neue System. Wir sind hochzufrieden.
Ist es schwierig, auf einen neuen Hubschrauber umzuschulen?
Nein, das ist eine Frage von Wochen. Die Piloten müssen ja nicht das Fliegen neu erlernen, sondern das Cockpit-Management und den Umgang mit neuen Flug- und Navigationsgeräten.
Wann kommen die ersten Maschinen?
Das wird 2025, vielleicht 2026 passieren. Wir bereiten uns jetzt darauf vor. Wir müssen die Infrastruktur anpassen. Der Hubschrauber ist größer. Wir brauchen mehr Platz, vor allem größere Abstellflächen. An unseren Standorten in Holzdorf und Laupheim sind wir aber in der Lage, die neuen Hubschrauber zügig aufzunehmen.