Bundeswehr:Die Zeit der Extrawünsche ist vorbei

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Eine pragmatische Entscheidung: Helikopter des Typs "CH-47 Chinook" bei einer Übung in Hohenfels (2020). (Foto: Lennart Preiss/Getty Images)

Beispiel Transporthubschrauber: Wenn die Truppe die zusätzlichen 100 Milliarden Euro richtig investieren will, muss sie viel öfter bewährtes Gerät kaufen, das schon auf dem Markt ist, statt neues erst entwickeln zu lassen.

Kommentar von Mike Szymanski

Die Bundeswehr bekommt neue Transporthubschrauber. Sie werden am Himmel kaum zu übersehen sein, denn es sind die markanten Modelle mit dem Tandemrotor, einem vorne und einem hinten am langgezogenen Rumpf. Die Hubschrauber des US-Herstellers Boeing vom Typ Chinook, die in ein paar Jahren auch bei der Bundeswehr fliegen und die die 50 Jahre alten CH-53-Hubschrauber ablösen sollen, sind weltweit im Einsatz, bei 20 anderen Nationen. Sie haben eine lange Einsatzgeschichte.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Die Bundeswehr bekommt keine alten Hubschrauber. Sie bekommt im Laufe der Jahre stets weiterentwickelte und im Einsatz bewährte Helikopter. Etwas Besseres kann ihr nicht passieren.

Die Bundeswehr steht am Anfang eines gewaltigen Modernisierungsprozesses. Die Regierung stellt in den nächsten Jahren 100 Milliarden Euro zusätzlich zur Ertüchtigung der Truppe zur Verfügung. Die neuen Transporthubschrauber sind eines der Projekte, die mit diesem Geld umgesetzt werden. Die anderen Vorhaben dürfen sich gerne am Beispiel der Chinooks orientieren: Endlich einmal fällt die Entscheidung für ein Produkt, das es schon gibt und gut genug ist. Es muss mal nicht das neueste und teuerste Gerät sein; es wird auch kein neuer Hubschrauber eigens für die Bundeswehr entwickelt. Und ausschlaggebend ist, was die Truppe tatsächlich braucht.

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Die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen Wirkung. Neuentwicklungen von Waffensystemen erwiesen sich schon oft als Irrweg, und als teurer dazu. Das Transportflugzeug A400M hat sich erstmals so richtig bei der Evakuierungsmission aus Kabul 2021 bewährt, bald 20 Jahre nach seiner Bestellung. Vom Hightech-Schützenpanzer Puma, Programmstart 2002, bei dem sich die Bundeswehr-Planer und Verteidigungspolitiker mit Sonderwünschen regelrecht ausgetobt haben, sind heute gerade einmal erst um die 40 "kriegstauglich". Aber angesichts der neuen Bedrohungslage durch den Krieg in der Ukraine haben Politik und Bundeswehr ihre Anspruchshaltung endlich auf ein normales Maß heruntergeschraubt: Es reicht ihnen, wenn der nächste Transporthubschrauber fliegt, und das zuverlässig.

Die Soldatinnen und Soldaten werden noch dankbar für diese Entscheidung sein. Zur Auswahl stand nämlich auch ein Konkurrenzmodell, ebenfalls aus den USA, das in großen Teilen neu entwickelt wurde. Es ist gut möglich, dass dies am Ende der leistungsfähigere Hubschrauber gewesen wäre. Davon hätte sich die Bundeswehr nur 45 Stück geleistet und nicht wie jetzt, bei den Chinooks, 60. Am Ende entschieden sich die Planer für die Masse. Auch das ist eine Lehre aus der Vergangenheit - lieber ein paar Hubschrauber mehr auf dem Hof stehen haben. Die Bundeswehr wird - so viel steht fest - in Zukunft mehr beansprucht werden und nicht weniger. Und das Geld wird irgendwann auch wieder knapp.

Wenn das Ertüchtigungsprogramm von 100 Milliarden Euro ein Erfolg werden soll, müssen nun alle größeren Beschaffungen daraufhin überprüft werden, ob die Bedürfnisse der Bundeswehr mit bereits auf dem Markt verfügbarem Gerät bedient werden können. Die Zeit für Extrawünsche ist vorbei. Dieses Prinzip müssen vor allem auch die Parlamentarierinnen und Parlamentarier im Bundestag beherzigen. Eingekauft werden muss bei dem, der wirklich liefern kann, nicht mehr zwingend beim Rüstungsunternehmer aus dem Heimatwahlkreis, der viel verspricht.

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