Bundeswehr:Armee auf Sinnsuche

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Soldat eines Panzergrnadierbatallions in Sachsen. (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)

Die Bundeswehr bildet im Irak Peschmerga aus, rettet Flüchtlinge im Mittelmeer, hilft in Mali - und wird nur wahrgenommen, wenn die Gewehre nicht geradeaus schießen. Besuch bei einer Truppe mit zwei Gesichtern.

Von Christoph Hickmann und Joachim Käppner

Peschmerga heißt übersetzt "Die den Tod nicht fürchten", doch Furchtlosigkeit allein wird gegen die Terrormiliz IS nichts ausrichten. Ortstermin auf einem Übungsplatz im Nordirak, in den Bergen der kurdischen Autonomieregion. Italienische und deutsche Soldaten bilden Peschmerga aus, kurdische Kämpfer; nicht wenige sind dabei, die vor zwei Jahren ihre Heimat gegen den Ansturm des IS verteidigt haben.

Viel hat nicht gefehlt, und sie wären überrannt worden. Deshalb ist die Bundeswehr hier im Einsatz - nicht zum Kämpfen, sondern um den irakischen Kurden bei deren Kampf mit Waffen und Ausbildern zu helfen. "Die Peschmerga", sagt Oberst Bernd Prill, der Kommandeur des deutschen Kontingents, "waren immer mutige Kämpfer, aber dieser Generation fehlte es anfangs an Wissen über elementare Standards". Sanitäter wussten nicht, wie und wofür man Arme oder Beine abbindet, Infanteristen gingen im Sturmangriff auf IS-Bunker los. Noch immer ist viel zu tun für Prills Männer.

Das Echo wirft den Klang der Schüsse von den nebelverhüllten Bergen zurück. Was Oberst Prill sieht, überzeugt ihn noch nicht. Italienische Ausbilder feuern die Peschmerga an, den Hang hochzustürmen, einem Feind entgegen, der glücklicherweise nur aus Blechsoldaten besteht. Die Kurden haben Probleme mit den Helmen, die vielen über die Augen rutschen und die Sicht nehmen. Staubfahnen weit hinter dem Ziel belegen, dass die meisten Soldaten nicht treffen. Verschanzte IS-Kämpfer hätten an dem Hang ein Blutbad angerichtet. "Jede gelernte Lektion", sagt Prill, "wird in diesem Krieg wahrscheinlich Leben retten. Und wir können diese Lektionen bieten, für ein Volk, das seine Freiheit gegen den Terror verteidigt. In solchen Missionen lohnt es sich, Soldat zu sein."

Truppe mit zwei Gesichtern

Die Mission im Nordirak gilt als Vorzeigeeinsatz der Bundeswehr: Sie ist überschaubar, ein Beitrag zum Kampf gegen den Terror und hilft einem bedrängten Volk. Die Fronten sind viel klarer als in Afghanistan, die Soldaten zufrieden mit ihrem Job. Das alles ist heute nicht selbstverständlich. Die Bundeswehr ist weltweit im Einsatz, wird von den Verbündeten für ihre Effizienz gelobt. Doch wenn sie hierzulande in den Schlagzeilen ist, dann meist, weil Flugzeuge nicht abheben, Gewehre nicht geradeaus schießen oder Panzer nicht einsatzbereit sind.

Es ist eine Truppe mit zwei Gesichtern. Nach dem Kalten Krieg wusste man nicht mehr so recht, was man mit ihr anfangen sollte. Danach wurde alles auf die Auslandseinsätze ausgerichtet. Als Russland dann 2014 die Krim annektierte und der Krieg in der Ukraine ausbrach, nahm die Öffentlichkeit verdutzt wahr, dass Deutschland über gerade noch 250 moderne Kampfpanzer verfügte, die es obendrein auf 225 reduzieren wollte. In den 1980er Jahren verfügte die Bundeswehr noch über 4500 Panzer.

Spagat zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Die Bundeswehr soll nun wieder das Land und das Nato-Gebiet verteidigen, aber gleichzeitig auch Auslandseinsatz können. Sie steckt, nachdem sie mehrfach mit Reformen überzogen wurde, noch in der Umsetzung der jüngsten Reform, die aber gerade schon wieder korrigiert wird. Seit eineinhalb Jahrzehnten stehen Frauen in der Truppe alle Laufbahnen offen, vor fünf Jahren wurde die Wehrpflicht ausgesetzt, seit Anfang 2016 gilt die 41-Stunden-Woche für Soldaten. Die Bundeswehr rettet Flüchtlinge im Mittelmeer, übt mit den Nato-Partnern in Osteuropa, hilft in Mali, den gefährlichen Norden zu stabilisieren und springt zwischendurch, wenn es im Inland nicht anders geht, bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise oder beim Elbe-Hochwasser ein.

Zugleich ist die Truppe so klein wie nie. Sie ist, schon wegen der schieren Zahl der Herausforderungen, eine überdehnte Truppe. Den Spagat zwischen Anspruch und Wirklichkeit untersucht das Buch Zwei der neuen SZ am Wochenende. Es ist eine Reise ins Innenleben einer Truppe, die ihre Rolle erst noch finden muss.

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