Das Ergebnis war geradezu demütigend deutlich: In der entscheidenden Kampfabstimmung um einen aussichtsreichen Listenplatz für die Bundestagswahl verlor Volker Beck auf dem Parteitag der nordrhein-westfälischen Grünen in Oberhausen am Freitagabend mit 66 zu 188 Stimmen gegen den Agrarpolitiker Friedrich Ostendorff. Damit ist Becks bundespolitische Karriere am Ende. 23 Jahre lang war er Abgeordneter, wenn er nach der Bundestagswahl 2017 ausscheiden wird.
Beck, 55, gehört zu den Politikern, deren persönliche Bekanntheit ihre politische Bedeutung bei Weitem übersteigt, zumindest wenn man Letztere an Ämtern bemisst. Bis 2013 war er Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, primär ein organisatorischer Job mit begrenzter Außenwirkung. Für manchen Abgeordneten ist das freilich der Ausgangspunkt in Richtung erste Reihe - für Beck war es das höchste Amt, das er erreichte. Dennoch ist der gebürtige Stuttgarter mit Wahlheimat Köln in der Öffentlichkeit zu einer Reizfigur geworden, vergleichbar nur mit Claudia Roth. Beider öffentliche Wahrnehmung oszilliert oftmals zwischen zwei Polen: Verehrung und Verachtung.
Ähnlich wie Roth kämpft Beck vor allem für die Rechte von Minderheiten, setzt sich für die Homo-Ehe ein, wirbt für eine liberale Migrationspolitik. Was ihm abgeht, ist Roths Fähigkeit, unter Einsatz überbordender Liebenswürdigkeit sogar mit manchen politischen Gegnern eine versöhnliche Atmosphäre zu schaffen. Beck war stets in Alarmbereitschaft, reagierte auf politische Angriffe schnell und heftig, oft bissig, bisweilen aggressiv.
Umso drastischer fielen die Reaktionen aus, als er vor der vergangenen Bundestagswahl versuchte, seine Verantwortung für einen Artikel zu relativieren, in dem er 1988 unter bestimmten Voraussetzungen eine Entkriminalisierung von Sex zwischen Erwachsenen und Kindern für möglich erachtete. Im März 2016 wurde er dann mit einer "verdächtigen Substanz" erwischt, das Verfahren wurde gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt.
Friedrich Ostendorff, gegen den er nun unterlag, ist acht Jahre älter als Beck. Deshalb fällt es schwer, die Entscheidung als Wunsch der NRW-Grünen nach einem Generationswechsel zu interpretieren. Als Symbol für die aktuelle Entwicklung der Partei kann Beck aber insofern gelten, als viele Grüne - von denen eine wachsende Zahl die Protestpartei nicht mehr erlebt haben, sondern in der Regierungspartei sozialisiert wurden - dem ewigen, oft selbstgerecht wirkenden Kampfmodus offenbar skeptisch gegenüberstehen.
Die Grünen müssten den "Duktus der moralischen Überlegenheit ablegen", forderte Bastian Hermisson, Leiter des Washingtoner Büros der Böll-Stiftung auf dem Bundesparteitag in einer viel beachteten Rede zu den Konsequenzen aus den US-Wahlen. Seither wogt eine Debatte um politische Korrektheit durch die Partei, führende Grüne wie Winfried Kretschmann oder Robert Habeck haben sich daran beteiligt. Auch Beck ist gleich in die Schlacht gezogen. Es wäre zu viel der Ehre, in ihm das erste Opfer zu sehen. Dafür hat Beck selbst zu viel falsch gemacht. Aber ein Signal lautet schon, dass die Grünen einen besonders exponierten Mann für verzichtbar halten.