Bundestag:Der stille Protest gegen Kanzlerin Merkel

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Bundeskanzlerin Angela Merkel ist vom Bundestag mit klarer Mehrheit für eine zweite Amtszeit wiedergewählt worden. Doch Merkel fehlten mindestens neun Stimmen von Union und FDP. Unumstritten ist die Frau, die intern "Mutti" heißt, nicht. Die Opposition spottet bereits.

Nach Wahl und Ernennung durch den Bundespräsidenten ist Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch im Bundestag vereidigt worden.

Kanzlerin Angela Merkel lässt sich nach ihrer Wiederwahl beglückwünschen. (Foto: Foto: ddp)

Vor den Abgeordneten sprach sie den grundgesetzlich vorgeschriebenen Eid: "Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber jedermann üben werde."

Sie ergänzte den Eid wie schon vor vier Jahren mit den Worten: "So wahr mir Gott helfe".

Zuvor war die CDU-Chefin mit klarer Mehrheit der neuen schwarz-gelben Koalition für eine zweite Amtszeit wiedergewählt worden. Die 55-Jährige erhielt im Bundestag in Berlin 323 von insgesamt 612 abgegebenen Stimmen.

Ein Zählappell der Regierungsfraktionen am Morgen hatte ergeben, dass alle Abgeordneten von CDU, CSU und FDP an der Wahl Merkels teilnehmen wollten. Zur Wahl brauchte die CDU-Vorsitzende 312 Stimmen. Insgesamt zählt der 17. Bundestag 622 Abgeordnete. Ihr Ergebnis entsprach einer Zustimmung von 52,8 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Merkel fehlten damit mindestens neun Stimmen von Union und FDP. Das ist zumindest ein kleiner Dämpfer für die Frau, deren CDU ein blamables Ergebnis bei der Bundestagswahl erzielt hat - und sich durch die aufgewertete FDP an der Regierung hält.

Nach Angaben von Bundestagspräsident Norbert Lammert stimmten 285 Abgeordnete mit Nein, vier Parlamentarier enthielten sich. Zehn Abgeordnete nahmen an der Abstimmung nicht teil.

Bundespräsident Horst Köhler überreichte Merkel am Mittag die Ernennungsurkunde. Die Ernennung und Vereidigung der neuen Minister ist für den Nachmittag geplant. Dann findet im Kanzleramt auch die erste Kabinettssitzung statt. Am Abend will Merkel dann zur ersten Auslandsreise ihrer zweiten Amtszeit zu Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy nach Paris fliegen.

Die Opposition reagierte mit Spott auf die fehlenden Stimmen aus den eigenen Reihen. Damit setze sich das Chaos fort, das schon bei den Koalitionsverhandlungen zu beobachten gewesen sei, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. "Darüber wird sich die Öffentlichkeit ihr Urteil bilden."

Die Fraktionsvorsitzenden von Grünen und Linkspartei, Renate Künast und Gregor Gysi, sprachen von einem Fehlstart. SPD und Grüne warfen Merkel zudem Missachtung des Parlaments vor, weil sie nach ihrer Vereidigung ins Ausland fliege, ohne dem Bundestag über die Inhalte ihrer künftigen Politik Rede und Antwort zu stehen.

Steinmeier sagte, Opposition und Öffentlichkeit hätten einen Anspruch darauf zu erfahren, was in dem Koalitionsvertrag nicht geklärt sei und wohin die Reise etwa bei der Gesundheits- und Steuerpolitik gehen solle. Das Vorgehen der Kanzlerin sei umso erstaunlicher, nachdem Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) am Vortag die Bedeutung der parlamentarischen Arbeit hervorgehoben habe.

Künast sagte, es sei seit Jahrzehnten guter Brauch, dass die Bundeskanzlerin nach ihrer Wahl sage, was die neue Regierung wolle. Dass Merkel davon abweiche und zuerst durch die Welt reise und etwa vor dem US-Kongress spreche, sei ein Affront. Co-Fraktionschef Jürgen Trittin warf Merkel vor, sie sei die "Kanzlerin der Klientel der Kesselflicker."

In der Geschichte der Bundesrepublik ist Merkel die erste Kanzlerin, die mit wechselnden Koalitionspartnern regieren kann. Seit Oktober 2005 stand die CDU-Vorsitzende an der Spitze einer großen Koalition mit der SPD. Nun kehrt die FDP nach elf Jahren in der Opposition an die Regierung zurück. Neuer Vizekanzler und Außenminister wird FDP-Chef Guido Westerwelle.

© sueddeutsche.de/dpa/AP/odg/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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