Migrationsdebatte:"Wir haben Reformen auf den Weg gebracht, die wirken, im Gegensatz zu Ihnen"

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser wirft der CDU/CSU-Fraktion "Populismus pur" vor. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Innenministerin Faeser wehrt sich gegen die Kritik der CDU, die Migrationskrise zu verschärfen. In der kontroversen Bundestagsdebatte geht's sehr viel um Schuldzuweisungen - und sehr wenig um gemeinsame Lösungen.

Muss Deutschland an seinen Grenzen härter gegen Flüchtlinge vorgehen? Darüber debattiert der Bundestag am Vormittag auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion unter der Überschrift "Deutschland-Pakt in der Migrationspolitik" - in Anspielung auf den "Deutschland-Pakt" des Bundeskanzlers zur Modernisierung des Landes. Die Union hatte in den vergangenen Tagen gefordert, Zuwanderer an den deutschen Grenzen abzuweisen.

Die Generaldebatte startet mit heftiger Kritik aus der Union. In Richtung Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagt CSU-Politiker Alexander Dobrindt: "Sie sind das trojanische Pferd zur Verschärfung der Migrationskrise." Faeser trage die Schuld daran, dass in Europa keine gemeinsame Lösung gefunden werde. Sie feiere zwar den Asylkompromiss, würde ihn aber auf europäischer Ebene torpedieren. Laut Dobrindt hat die Ampelregierung die Pull-Faktoren deutlich ausgeweitet, etwa mit dem Vorschlag, den Familiennachzug auszuweiten.

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Faeser kontert auf die Kritikpunkte Dobrindts. Sie habe eigentlich konstruktive Vorschläge der Union loben wollen, allerdings habe der CSU-Politiker nur die Debatte angeheizt. Mit Aussagen des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz zu "Sozialtouristen" aus der Ukraine würde die Partei auf dem Rücken von Menschen, die von Krieg und Terror bedroht werden, Stimmung machen. "Das ist Populismus pur und stärkt die Rechtsextremen", meint Faeser.

Die Bundesregierung arbeite bereits intensiv mit Kommunen und Ländern zusammen und habe "echte Lösungen" hervorgebracht. Als Beispiel nennt Faeser die Bundespolizei, die an den Grenzen personell aufgestockt worden sei. Zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität habe sie die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern Polen und Tschechien verstärkt und eine gemeinsame Taskforce gegründet.

Faeser plant keine Erleichterung beim Familiennachzug

Im Gegensatz zur Union würde das Innenministerium nun deutlich strenger gegen die Schleuser vorgehen, meint Faeser. Ihnen würde schneller die Aufenthaltsgenehmigung entzogen. "Wir haben Reformen auf den Weg gebracht, die wirken, im Gegensatz zu Ihnen", sagt Faeser mit Blick auf die CDU. Die Innenministerin widerspricht zudem einem Medienbericht, wonach sie die im Koalitionsvertrag angekündigten Erleichterungen zum Familiennachzug von Flüchtlingen derzeit konkret angehen will.

Wichtig sind in der aufgeheizten Debatte die Zahlen: Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) haben dieses Jahr bis August etwa 220 000 Personen einen Asylantrag gestellt. Das entspricht einer Zunahme von 77 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Scharfe Kritik am Antrag von CDU/CSU kommt auch von der Linkspartei. Die Innenpolitikerin Clara Bünger nennt es bezeichnend, dass die von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Merz geforderte Obergrenze von 200 000 Migranten pro Jahr in dem Antrag nicht enthalten sei. Die Union wüsste natürlich, dass eine solche Obergrenze gegen das Recht auf Asyl und somit gegen das Grundgesetz verstoße. Eine Begrenzung der Migration fordert wenig überraschend die AfD. Dazu warnt der parlamentarische Geschäftsführer Bernd Baumann vor einer "wuchernden Parallelgesellschaft".

Kretschmer will Aufnahme von Flüchtlingen begrenzen

Zuvor hatte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) eine jährliche Flüchtlingsaufnahme vorgeschlagen - das Wort Obergrenze kam ihm aber nicht über die Lippen. "Wir sollten uns auf eine realistische Größenordnung verständigen, beispielsweise 200 000 Flüchtlinge pro Jahr", sagte der CDU-Politiker der Freien Presse. Zuvor hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine solche Obergrenze gefordert.

Innenministerin Faeser hatte am späten Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" nochmals die Weigerung der Bundesregierung bekräftigt, in Italien ankommende Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen. "Italien hält sich nicht an die Dublin-Rückübernahme. Und solange Italien das nicht macht, werden wir auch keine weiteren Geflüchteten aufnehmen", sagt Faeser. In der Europäischen Union sei ein Solidaritätsmechanismus verabredet. Rom müsse jetzt wieder auf Deutschland zugehen und seinen Verpflichtungen nachkommen.

© SZ/Reuters/dpa/lsng - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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