Bundespräsident - Kiel:Altbundespräsident Gauck wirbt für weitreichende Toleranz

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Kiel (dpa/lno) - Altbundespräsident Joachim Gauck hat sich für weitgehende Toleranz in der politischen Auseinandersetzung ausgesprochen. Dafür setzte er am Mittwoch in Kiel aber eine klare Grenze: "Wenn unsere Rechtsordnung missachtet ist, dann hört auch unsere Toleranz auf." Offenheit gegenüber anderen müsse begleitet sein von Wachsamkeit. "Wir können ja nicht so tolerant werden, dass wir auch noch die Feinde der Demokratie gut finden", sagte Gauck, der in Kiel die Forschungsstelle Toleranz an der Universität besuchte.

Er möge auch nicht die Regierungsparteien in Polen oder in Ungarn. "Aber das heißt noch nicht, dass ich sie deshalb verbieten möchte." Dies gehöre noch in die Bandbreite der demokratischen Meinungsbildung. "Es ist illiberal, aber es ist noch nicht im Bereich des Strafbaren."

In einer offenen Gesellschaft, einer Gemeinschaft der Verschiedenen, müsse man auch jene ertragen, die eigene politische Auffassungen infrage stellen, sagte Gauck. "Deshalb ermutige ich die Demokraten oder die Menschen in der demokratischen Mitte immer, vor der Forderung nach dem Verbot es mal mit einem Argument zu versuchen." Verbote sollten das letzte Mittel sein, wie auch ein Abbruch diplomatischer Beziehungen. "Wir müssen auch ertragen, dass in unserer Mitte Menschen leben, die lügen." Man könne sie nicht alle vor den Richter bringen. "Es ist schwer, irrende Menschen für ihre Irrtümer zu sanktionieren oder Lügner dafür, dass sie einen schlechten Charakter haben."

In den USA sehe man, wie sich gesellschaftliche Debatten so aufschaukeln können, dass die Lager sich wie Feinde gegenüberstehen und nicht mehr nur wie Gegner, sagte Gauck. In Polen sei die Entwicklung vergleichbar. In Deutschland sei die Gesellschaft nicht so gespalten. Aber solche Spaltungstendenzen nähmen zu.

© dpa-infocom, dpa:211110-99-945826/2

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