Bürgerfest im Schloss Bellevue:Wurst statt Kohle

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Es geht auch ohne Geld von Unternehmen - aber nur ein Jahr lang: Bundespräsident Gauck öffnet unter großem Andrang die Tore zum Schloss Bellevue. Statt großer Summen sammelt er von Firmen Getränke und Essen für sein Bürgerfest ein. Nicht nur damit hebt er sich von seinem Vorgänger Christian Wulff ab.

Jannis Brühl, Berlin

Für Joachim Gauck war der eigene Garten am Sonntag kein Ort der Ruhe. Von der Freiheit, von der er so gerne spricht, dürfte er zumindest körperlich wenig gespürt haben. Auf dem Bürgerfest in seinem Amtssitz Schloss Bellevue muss er sich flankiert von Leibwächtern durch die Menge kämpfen, wird bestürmt, schreibt Autogramme, posiert für Fotos. Das strapaziert die Pastorengeduld: "Ich bin doch den ganzen Tag hier", ruft er immer wieder. 10.000 Menschen nutzten die Chance, auf das Gelände und dem Staatsoberhaupt nahe zu kommen: Die Veranstaltung war die erste der jährlichen Feiern der Bundespräsidenten, die allen Bürgern offenstand.

Ansturm auf den Bundespräsidenten: Joachim Gauck im Gespräch mit einer Besucherin des Bürgerfestes. (Foto: dpa)

Mit dem Bürgerfest will Gauck für das Ehrenamt werben. Seine Lebensgefährtin Daniela Schadt - die dank sonniger Wärme im schwarz-weißen Sommerkleid auftrat - stellte auf der Bühne ein Jugendprojekt vor, das sie unterstützt. Die Gäste ließen sich von Bundeswehr-Maîtres bekochen, hörten der Big Band der Bundespolizei zu oder spielten Tischtennis am Stand des Olympischen Sportbundes. Die Organisationen interessierten allerdings weniger Gäste als die Besichtigung des Schlosses, vor dem sich eine lange Schlange bildete.

Das touristische Highlight Bundespräsident musste also zu mehr bürgerlichem Engagement motivieren. In seiner Begrüßung sagte er, er wünsche sich wenigstens, "dass wir alle, wenn Wahl ist, nicht nur bei Oma sitzen und Streuselkuchen essen, sondern auch wirklich wählen gehen". Dann hätten extremistische Parteien auch keine Chance auf Parlamentssitze.

In einer geschlossenen Veranstaltung am Vortag hatte Gauck bereits 4000 Ehrenamtliche ausgezeichnet. In seiner Rede machte er klar, dass das ökonomische Denken an seine Grenzen komme, wenn es um ehrenamtlichen Einsatz ginge: "Engagement lässt sich nicht planen wie ein Wirtschaftsprojekt." Dafür müssten die Deutschen aktiv als Bürger werden: "Politik ist Teil unserer Gesellschaft und sie ist gestaltbar von uns allen. Verstehen wir uns also nicht nur als Konsumenten."

Finanzierung umgekrempelt

Der Kommerz sollte ganz weit weg sein von Schloss Bellevue. Deshalb waren fast nur Organisationen mit Ständen vertreten, die die Deutschen nachts gut schlafen lassen: die Aktion Mensch, die Bundeswehr und das ZDF.

Gauck hat im Vergleich zu den Sommerfesten seiner Vorgänger einiges geändert. Am Sonntag konnte jeder auf das Gelände, zum ersten Mal seit 2008.

Nicht nur die Tischgespräche einiger Gäste über die Rechtsstreitereien von Bettina Wulff erinnerten an die Affäre um gaucks direkten Vorgänger. Die Sponsoren sind weniger sichtbar. Denn Gauck hat die Finanzierung des Festes umgekrempelt. Er lehnt die finanzielle Unterstützung durch Unternehmen für dieses Jahr ab. Wulff war auch wegen seiner Nähe zu Managern und deren Sponsoring von Regierungs-Veranstaltungen in die Kritik geraten. So unterstützte der Versicherungsunternehmer Carsten Maschmeyer mit 25.000 Euro das Sommerfest Wulffs, als der noch Niedersachsens Ministerpräsident war.

Gauck, der Party-Präsident

In diesem Jahr gibt es also Wurst statt Kohle. Etwa 25 Unternehmen nutzten den Schlossgarten doch als Werbefläche. Sachspenden hatte Gauck erlaubt. Unter anderem schenkte eine Limo-Brauerei aus, ein Brandenburger Fleischproduzent verkaufte Bratwürste.

Das Bundespräsidialamt wehrt sich gegen die Theorie, Gauck wolle wegen Wulff Finanzsponsoren grundsätzlich von Bellevue fernhalten: Weil er erst im Frühjahr ins Amt kam, sei keine Zeit geblieben, das Sommerfest auszurichten und Sponsorengelder einzutreiben, sagte ein Sprecher im Schlosseingang, einem der wenigen kühlen Orte auf dem Gelände. Deshalb gebe es nun das "Bürgerfest". Den Steuerzahler kostet die Veranstaltung 500.000 Euro. Im kommenden Jahr muss das Amt wieder Finanzsponsoren finden, sonst sprengt die Feier das Präsidentenbudget.

Ein bisschen gab Gauck doch noch den Party-Präsidenten - allerdings nicht im Wulffschen Sinne mit Schampus und Promi-Gästen. Dafür ist er dann doch zu sehr Pastor. Die demokratischen Errungenschaften, sagte er in seiner Rede, dürfe man auch einmal feiern: "Ich bitte sie, dem deutschen Nationalcharakter des Verdrusses nicht länger nachzugehen, sondern sich auch einmal über das Erreichte zu freuen."

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