Beate Zschäpe schweigt. Sie schwieg, als sie in Haft kam. Sie schwieg, als ihr die Kronzeugenregelung angeboten wurde. Sie schwieg an jedem einzelnen Verhandlungstag. Und doch spricht sie - wenn auch nicht vor Gericht.
Beate Zschäpe hat in einem 26 Seiten langen, handschriftlichen Brief gesprochen: über ihre Haftzeit, über ihre Gedanken und Gefühle, über ihren Prozess. Die Frau, die schweigt, hat sich einem Mann anvertraut, der seit 2007 in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld sitzt, verurteilt zu acht Jahren Haft wegen schwerer räuberischer Erpressung.
Bei einem Überfall auf einen Lebensmittelmarkt hat er als 20-Jähriger viermal auf einen gebürtigen Tunesier geschossen, der nur durch eine Notoperation überlebte. Robin S. heißt dieser Mann, und er gehörte vor seiner Inhaftierung zur rechtsextremistischen Szene Dortmunds. Diesem Mann, den sie bis zu ihrem Briefkontakt in diesem Jahr offenbar nicht kannte, hat sich Zschäpe anvertraut.
Zschäpe fühlt sich vorverurteilt
Es ist ein Brief, der nicht nur Einblick in die Seele dieser Frau gibt, sondern der auch politisch und juristisch hochrelevant ist. Offensichtlich hat der Brieffreund in seinem ersten Brief an sie ihren Mut gelobt, nun dankt sie ihm für seinen: dass er mit ihr in Verbindung getreten sei, obwohl die Entscheidung über seine vorzeitige Entlassung anstehe. Mit ihm tauscht sie sich darüber aus, ob sie überhaupt noch die Chance auf einen fairen Prozess habe, weil die Kanzlerin bei einem Türkei-Besuch die vollständige Aufklärung der NSU-Affäre versprochen habe. Auch vom Bundesinnenminister fühlt sie sich vorverurteilt.
Und sie äußert sich auch zu ihrem bisherigen Leben. Sie erzählt ihrem Briefpartner, ihr Leben sei eine Reise durch den Wahnsinn gewesen, durch Licht und Dunkelheit. Aber das sei nun einmal ihr Leben, und diese Bürde müsse sie erhobenen Hauptes tragen. Die Frau, die an jedem Prozesstag mit straff durchgedrücktem Rücken im Gericht steht und unergründlich den Richtern ins Auge blickt, liefert in diesem Brief eine Erklärung für ihr Verhalten.