Brexit:Wie der Brexit Steueroasen austrocknen könnte

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Malerische Kulisse auf den Britischen Jungferninseln - einem Steuerparadies. Nicht mehr lange, wenn es nach den Grünen im Europäischen Parlament geht. (Foto: Jost Van Dyke/dpa)
  • Die Grünen im Europaparlament fordern, das Schließen von Steuerschlupflöchern zur Bedingung in den Brexit-Verhandlungen zu machen.
  • Damit wollen die Politiker verhindern, dass britische Überseegebiete und Kronbesitzungen weiter mit verschwindend geringen Steuersätzen zum Vermeiden von Abgaben einladen.
  • Ohne einen solchen Deal dürfe es kein Handelsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich geben, fordern sie.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Ein paar Meter noch, dann hat Theresa May das rettende Ufer erreicht. So jedenfalls sieht es aus, seit durchgesickert ist, dass Großbritannien in den Brexit-Verhandlungen praktisch alle Finanzforderungen der Europäischen Union zu erfüllen bereit ist. Wenn May am kommenden Montag von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zum Essen empfangen wird, bringt sie wohl Zusagen mit, die sich auf mehr als 50 Milliarden Euro summieren.

Probleme gibt es noch in der Irland-Frage, am Geld aber dürfte nicht scheitern, was May so dringend braucht: die Feststellung, dass in den Verhandlungen "ausreichender Fortschritt" gemacht worden ist. Nur dann wird die 27er-EU beim Gipfel Mitte Dezember die zweite Verhandlungsphase genehmigen, in der auch über ein künftiges Handelsabkommen gesprochen wird.

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Der Erleichterung könnte aber schon bald Entsetzen folgen, denn die Briten dürften es mit unangenehmen Forderungen der EU zu tun bekommen. Langfristig geht es da um deutlich höhere Summen als bei der Scheidungsrechnung. In einem Bericht, den sie an diesem Donnerstag veröffentlichen, legen die Grünen im Europäischen Parlament dar, wie der Brexit genutzt werden kann, um Steuerschlupflöcher zu stopfen. Zum einen verliere die EU mit Großbritanniens Austritt einen der großen Bremser in der Steuerpolitik, heißt es da.

Vor allem aber erhalte die EU die Chance, britische Steueroasen auszutrocknen, wenn sie das zur Bedingung für eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit mache. "Als EU-Staat kann Großbritannien seine Steueroasen schützen. Nach dem Brexit gibt es keinen Grund mehr, das länger hinzunehmen", bläst der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Sven Giegold, zur Offensive.

Bislang klaffen, wie auch die Paradise Papers gezeigt haben, im weitläufigen Reich von Elizabeth II. etliche Steuerschlupflöcher. Die Briten seien "besonders geschickt" im Erschaffen von Modellen gewesen, "die den schädlichen Steuerwettbewerb" beschleunigen, wird im Grünen-Bericht konstatiert. Das reiche von Steuerprivilegien für superreiche Ausländer bis zu hohen Steuerabzügen für Patente (Lizenzbox).

Wirklich paradiesische Zustände aber finden Steuervermeider in den britischen Überseeterritorien und Kronbesitzungen vor. Diese Gebiete gehören nicht zur EU und unterliegen nicht unmittelbar ihrem Recht. Als führendes Steuerparadies gilt die Isle of Man, doch die Auswahl ist groß. Auch Bermuda, die Britischen Jungferninseln und die Kaiman-Inseln locken mit Unternehmensteuern von null Prozent.

Schwarze Liste mit Steuerparadiesen

Kommende Woche präsentiert die EU-Kommission eine schwarze Liste mit Steuerparadiesen, auf der freilich von Großbritannien abhängige Gebiete fehlen dürften. Die Organisation Oxfam hat vorab eine eigene Liste veröffentlicht und dabei die EU-Kriterien angelegt. Auf dieser Liste werden sowohl Bermuda, die Britischen Jungferninseln, die Kaiman-Inseln, Gibraltar als auch Jersey gebrandmarkt. Nach dem Brexit könnten diese Gebiete auch auf der offiziellen Liste der EU landen; eine Handhabe dagegen hätte die britische Regierung jedenfalls nicht mehr.

Die EU solle in den Brexit-Verhandlungen damit drohen, sowohl Großbritannien als auch die Kronbesitzungen auf die Liste zu setzen, fordern die Grünen in ihrem Bericht. Damit stehen sie nicht allein. "Steuerfragen müssen in Verhandlungen einbezogen werden, damit da kein ruinöser Steuerwettbewerb entsteht", verlangt auch Werner Langen (CDU), Vorsitzender des Panama-Untersuchungsausschusses im Europaparlament.

Auch die Jurisdiktionen unter britischer Krone müssten auf die schwarze Liste. Im äußersten Fall könne es ein Verbot finanzieller Transaktionen mit den gelisteten Ländern geben. Die von den Grünen empfohlene Strategie läuft freilich eher darauf hinaus, London in den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zur Umkehr zu zwingen. "Die Briten sitzen sehr grundlegend am kürzeren Hebel", meint Giegold. In ihrer Abhängigkeit vom Finanzsektor seien sie angewiesen auf freien Kapitalverkehr - und genau den könne die EU beschränken.

Abzusehen jedenfalls ist, dass die Union die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit größter Härte führen wird. Sie wird nicht zulassen wollen, dass die Briten mit niedrigeren Standards und Steuern Investoren anlocken. Im Kern steht damit das Versprechen des britischen Brexit-Lagers infrage, nach dem Austritt aus der EU endlich frei handeln zu können. Umgekehrt drohen die Briten der EU für den Fall eines Scheiterns der Verhandlungen mit einem "Abschied vom europäischen Sozial- und Steuermodell", wie es Finanzminister Philip Hammond schon vor Monaten getan hat. Giegold hält das für "leere Drohungen". Großbritannien könne nicht damit drohen, eine Steueroase zu werden. Sie sei ja schon eine.

Für Ärger in London sorgt nun, dass Brexit-Minister David Davis einen Bericht über die wirtschaftlichen Folgen des Austritts dem Parlament nur teilweise zugänglich gemacht hat. Wegen möglicher Missachtung des Parlaments muss er sich einem Verhör im Ausschuss für den EU-Austritt stellen.

© SZ vom 30.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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