"Brexit"-Referendum:Warum Großbritannien wohl in der EU bleiben wird

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Rein oder raus? Wie geht's weiter mit dem britischen Premier Cameron und der EU? (Foto: AFP)

Cameron ist fast am Ziel: Mit dem Referendum im Juni könnte er die "Brexit"-Debatte aus der Welt schaffen. Ein Politiker könnte ihm jedoch gefährlich werden.

Analyse von Christian Zaschke, London

David Cameron ist fast am Ziel. Seit der britische Premierminister vor drei Jahren angekündigt hat, dass er ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft abhalten wolle, ist die Europafrage das bestimmende Thema seiner Amtszeit. Der Deal bezüglich eines neuen Verhältnisses Großbritanniens zur EU, auf den sich die 28 Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten am Freitag in Brüssel geeinigt haben, markiert das Ende der vorletzten Etappe von Camerons großer europäischer Reise. Nun folgt der letzte Abschnitt, hin zum Referendum, das er am Samstag auf den 23. Juni dieses Jahres terminiert hat.

Im zurückliegenden Jahr ist Cameron sehr fleißig gewesen. Wieder und wieder besuchte er seine europäischen Kollegen auf dem Festland und warb für seine Reformpläne, er war geradezu unermüdlich. In Teilen des politischen Betriebs wurde das mit Amüsement zur Kenntnis genommen, weil der Premier eigentlich als Meister darin gilt, nicht unbedingt notwendige Anstrengungen zu vermeiden. Aber er wusste, dass eine große Chance vor ihm lag. Seit Jahrzehnten ist die Konservative Partei in der Europafrage hoffnungslos zerstritten. Mit dem Referendum könnte Cameron die Frage, die seine Partei so lange gequält hat, vorerst aus der Welt schaffen. So oder so.

Cameron glaubt, dass er die Angelegenheit im Griff hat

Das Risiko ist immens, und es ist sicherlich fraglich, ob es angemessen ist, die Zukunft Großbritanniens in der EU und letztlich die Zukunft der Union selbst aufs Spiel zu setzen, um seine Partei zu befrieden und damit seine Machtposition zu sichern. Cameron hatte das Gefühl, keine andere Wahl zu haben. Zudem glaubt er, wie in Westminster zu hören ist, dass er die Angelegenheit im Griff hat.

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Er hat sich am Samstag persönlich an die Spitze der Kampagne für einen Verbleib in der EU gestellt. In Umfragen liegen beide Lager gleichauf, aber das täuscht vermutlich. Zum einen geben viele Wähler an, dass sie unentschieden seien, und diese stimmen erfahrungsgemäß eher für den Status quo. Zum anderen nehmen die Pro-Europäer erst jetzt ihre Kampagnen-Arbeit auf. In den kommenden Wochen wird die Mehrheit der politischen Elite des Landes, angeführt vom Premier, eindringlich für die Mitgliedschaft in der EU werben.

80 Prozent der Wirtschaft sind ebenfalls für den Verbleib. Die meisten Unternehmen und Verbände haben sich bisher mit öffentlichen Äußerungen zurückgehalten; das wird sich ändern. Es deutet viel darauf hin, dass Camerons Kalkül aufgeht, dass also Großbritannien für die Mitgliedschaft stimmt und er das Thema endlich los ist.

Der Londoner Bürgermeister Johnson drückt sich seit Wochen um eine Antwort

Allerdings gibt es da noch dieses gar nicht mal so kleine Problem: Der Londoner Bürgermeister Boris Johnson drückt sich seit Wochen um eine Antwort auf die Frage herum, welchem Lager er sich anschließen wird. Johnson ist besonders in konservativen Kreisen eminent populär, und es gilt als sicher, dass er viele Wähler auf seine Seite ziehen kann. Wirbt er für den Verbleib, gilt die Abstimmung für Cameron als gewonnen. Wirbt Johnson für den Austritt, wird es vermutlich knapp.

Wie dem Premier geht es auch Johnson nicht um die Sache, sondern um Machtfragen. Schließt er sich den EU-Freunden an, wird er höchstwahrscheinlich mit einem schönen Posten im Kabinett belohnt. Schließt er sich den Gegnern an und es stimmt tatsächlich eine Mehrheit für den Austritt aus der EU, ist es sehr gut möglich, dass Cameron zurücktritt. Dann wäre Johnson seinem größten Ziel den womöglich entscheidenden Schritt näher gekommen: Premier zu werden anstelle des Premiers.

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Der britische Premierminister Cameron hat seine Forderungen etwa zur Kürzung von Sozialleistung von EU-Einwanderern weitestgehend durchgesetzt; das Vereinigte Königreich ist auch nicht mehr an das EU-Ziel einer "immer engeren Union" gebunden. Das Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU findet am 23.Juni statt.

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