GroßbritannienDas Unterhaus zeigt Johnson seine Grenzen auf

Boris Johnson ist mit seinem Antrag auf eine Neuwahl gescheitert.
Boris Johnson ist mit seinem Antrag auf eine Neuwahl gescheitert. (Foto: dpa)
  • Am Mittwochabend hat das britische Unterhaus mit 327 zu 299 Stimmen ein Anti-No-Deal-Gesetz angenommen, um einen Brexit ohne Austrittsvertrag zu verhindern.
  • Nun debattiert das Oberhaus über den Antrag. Hier können Sie die Aussprache im House of Lords verfolgen.
  • In zwei Abstimmungsrunden erhielt der Entwurf eine Mehrheit der Abgeordneten, auch mit Hilfe einiger bislang konservativer Parlamentarier.
  • Ein Antrag Johnsons, das Parlament am 15. Oktober neu wählen zu lassen, verfehlte am Mittwoch die nötige Zweidrittelmehrheit.

Von SZ-Autoren

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Newsdesk
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Wie geht es jetzt weiter?


Eines steht fest: Diese zwei Tage im Unterhaus haben den Brexit-Fahrplan von Premier Johnson durcheinander geworfen. Zwar hat Labour-Chef Corbyn angekündigt, dem Wunsch nach Neuwahlen möglicherweise schon kommende Woche zu entsprechen, doch zuvor muss das Anti-Brexit-Gesetz von der Queen unterschrieben sein und dafür muss es noch vom Oberhaus abgenickt werden.
Und obwohl es für Johnson diese Woche im Parlament so gar nicht lief: Bei Neuwahlen hätte er gute Chancen, wie unsere Korrespondentin Cathrin Kahlweit schreibt.

Damit verabschieden wir uns für heute. Wir halten Sie natürlich weiterhin über alle Entwicklungen auf dem Laufenden.
Jana Anzlinger
Jana Anzlinger

Johnson greift Corbyn an


Der Premier verzieht verärgert die Mundwinkel und greift Corbyn persönlich an. Dieser sei "der erste Oppositionsführer in der demokratischen Geschichte, der eine Einladung zur Wahl ausschlägt. Ich kann über seine Gründe nur spekulieren. Die offensichtliche Schlussfolgerung ist leider, dass er denkt, er könne nicht gewinnen." Johnson macht Corbyn persönlich für die Schlappe verantwortlich und fordert, der Labour-Politiker solle doch seine Position nochmal überdenken.
Jana Anzlinger
Jana Anzlinger

Antrag auf Neuwahl verfehlt erforderliche Mehrheit


298 Abgeordnete votierten dafür und 56 dagegen. Damit hat Johnson die nötige Zweidrittelmehrheit verfehlt. Die Labour-Abgeordneten haben zuvor ihren Gesetzentwurf durchgebracht, demzufolge es keinen harten Brexit am 31. Oktober geben soll. Johnson ist dagegen. Wenn er nach dem 15. Oktober noch Premierminister sei, wolle er auf jeden Fall Ende Oktober den Brexit durchsetzen, so Johnson.
Jana Anzlinger
Jana Anzlinger

Abstimmung über Neuwahl läuft


"Divisioooon! Clear the Lobby!" Sprecher John Bercow lässt die Abgeordneten nun über Johnsons Antrag auf eine Neuwahl des Parlaments abstimmen.
Jana Anzlinger
Jana Anzlinger

Welche Konsequenzen Johnson-Gegner aller Parteien fordern


Ken Clarke, einer der Tory-Rebellen, verteidigt die Entscheidung. Es brauche mehr Zeit, einen Vertrag mit der EU auszuhandeln. Man könne nun handeln "wie Erwachsene". Das bedeute keineswegs, dass die Befürworter des Gesetzes das Referendum umstürzen wollten. Die Konservativen sollten aufhören, "das hier wie ein Spiel zu behandeln".

SNP-Fraktionschef Ian Blackford betont, beim Referendum habe niemand für einen No-Deal-Brexit gestimmt, "das stand nicht auf dem Wahlzettel". Er verkündet, er wolle Johnson zu dieser Gelegenheit "freundschaftlichen Rat" geben: "Feuern Sie Ihren Berater Dominic Cummings!" Der umstrittene Cummings gilt als skrupelloser Architekt von Johnsons Erfolg.

Die Parteichefin der Liberal Democrats Jo Swinson appelliert an die Abgeordneten, persönliche Interessen beiseite zu lassen und sich auf das nationale Interesse zu konzentrieren. Johnson habe auf den Job als Premier "so lange gegiert, dass es schmerzhaft war zuzusehen". Er habe versprochen, einen Deal mit der EU auszuhandeln. "Jetzt haben Sie den Job. Also machen Sie den Job. Gehen Sie uns diesen Deal besorgen!"

Anna Soury, die Parteichefin von Change UK, will das Volk neu entscheiden lassen. "Ich denke, die Briten haben ihre Meinung geändert." Sie rügt außerdem Johnsons Wortwahl, der den Mut der Abgeordneten nicht respektiere, die zulasten ihrer Karriere rebelliert haben.

Die Labour-Abgeordnete Jess Phillips erklärt, sie werde heute gegen Neuwahlen stimmen, "genauso wie ich gegen alles stimmen werde, was dieser Premierminister mir vorsetzt". Sie habe "buchstäblich keinerlei Vertrauen" in Johnson. "Der Premierminister, den wir gerade haben, spielt irgendein Bully-Boy-Game", schimpft sie. Gemeint mit dem "Mobbing-Jungs-Spiel" ist wohl, dass Johnson nicht immer staatsmännisch auftritt und eine Tendenz zu verletzenden Formulierungen hat.
Oliver Das Gupta
Oliver Das Gupta

Corbyn wirft Johnson "Heuchelei" vor


Labour-Chef Jeremy Corbyn spricht nun als erster Redner der Opposition, und er tut dies in einer Lautstärke, die auf großen Groll auf Johnson schließen lässt, auch auf große Genugtuung. "Dieser Premierminister behauptet, er hat eine Strategie, aber er kann uns nicht erklären, wie sie aussieht." Das erinnere ihn an des Kaisers neue Kleidung - "da ist absolut gar nichts", schleudert er der Regierungsbank auf der anderen Seite des Pultes entgegen.

Johnson habe in Sachen Handel das Vereinigte Königreich "in die Arme von Donald Trump geführt", die Regierung habe "antidemokratische Instinkte", das Dargebotene sei "Heuchelei". Zackzackzack. Corbyn feuert so Salve um Salve verbal auf Johnson, der seine Arme verschränkt hat und ab und zu etwas sagt, was im allgemeinen Gejohle und Geschrei unhörbar ist.

Als Corbyn auf das Thema Neuwahlen zu sprechen kommt, fällt ihm gleich ein Märchen ein: Eine neue Parlamentswahl, wie sie Johnson unbedingt Mitte Oktober haben will, gleiche dem "Apfel von Schneewittchen", ruft der Labour-Chef, der Apfel enthalte "das Gift eines No Deal". Die Botschaft ist klar: Das ist mit ihm nicht zu machen.

Das vom Unterhaus abgesegnete Anti-No-Deal-Gesetz muss noch das Oberhaus passieren, doch auch dort trickst Johnson, meint Corbyn. 92 Änderungsanträge gebe es, die besprochen werden sollen, sagt er zornig, die Torys wollten die Sache zeitlich verschleppen, eine "antidemokratische Kabale". Nun ist ordentlich Stimmung im House of Commons.
Jana Anzlinger
Jana Anzlinger

Premier Johnson stellt Neuwahl zur Abstimmung

Boris Johnson reagiert empört auf das Ergebnis. Es sei ein "Gesetz, das die größte demokratische Entscheidung in unserer Geschichte umstürzen" solle - er meint das Brexit-Referendum. Es sei ein "Gesetz, das im Endeffekt die Verhandlungen beenden" oder zumindest auf Jahre verzögern könne. Es zwinge ihn, sich er EU zu "ergeben" - und: "Ich weigere mich, das zu tun."

"Aus Sicht dieser Regierung muss es nun eine Neuwahl am 15. Oktober geben", fordert Johnson. Das Land werde entscheiden, ob Johnson selbst oder Oppositionsanführer Corbyn nach Brüssel gehen und mit der EU verhandeln werde.
Jana Anzlinger
Jana Anzlinger

Die Abgeordneten stimmen für den Gesetzentwurf


Niederlage für Premier Johnson: Der Entwurf, mit dem ein harter Brexit am 31. Oktober verhindert werden soll, ist im Unterhaus von einer knappen Mehrheit angenommen worden. 327 Abgeordnete haben dafür gestimmt und 299 dagegen. Bevor das Gesetz gegen den No Deal in Kraft treten kann, muss es auch noch das Oberhaus passieren.
Jana Anzlinger
Jana Anzlinger

Verwirrung um May-Deal


Gerade eben herrschte im Unterhaus einige Verwirrung. Was war passiert? Britische Journalisten schreiben auf Twitter: Ein Amendment, über das gerade abgestimmt wurde, war der Wunsch, noch einmal über den Deal zwischen Ex-Premier May und der EU abzustimmen. Dieses Amendment hat das Unterhaus offenbar gerade versehentlich angenommen - weil wohl keine "Tellers" verfügbar waren, um die Stimmen zu zählen.
Jana Anzlinger
Jana Anzlinger

Zweite Abstimmungsrunde im Gange


Gerade eben wirkte es noch, als ob die wenigen verbliebenen Abgeordneten einschlafen. Jetzt ist wieder Bewegung im Parlament: Die zweite Abstimmungsrunde hat begonnen.
Zunächst wird über einige Amendments abgestimmt - und dann geht es um den kontroversen Gesetzentwurf. Es wird auch dieses Mal genau ausgezählt und nicht nur durch Rufe entschieden. Bis zum Ergebnis dürfte es also noch kurz dauern. Die Spannung ist groß: Es ist ein Showdown im Brexit-Streit.
Oliver Das Gupta
Oliver Das Gupta

"Haben Sie Angst vor diesem Clown"


Vor dem Westminster Palace stehen sie, die Remainer und Leaver, die Demonstranten für und gegen den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union. EU-Fahnen flattern, es sind rote Schilder der Brexiteers sehen, wobei die Remainer auch auf Ulk und Spott setzen - teilweise beißenden Spott. Zu sehen ist etwa ein verkleideter Mann, der schon seit Tagen dort erscheint: mit Narrenkappe, einer aberwitzigen und übergroßen Fliege mit Punkten und entsprechender Oberkleidung. Dazu hält er ein Schild, auf dem steht "Be afraid of this Clown" - "Haben Sie Angst vor diesem Clown". Und eine Maske auf dem Gesicht, die das Konterfei von Boris Johnson zeigt. Das Hitlerbärtchen werden wohl nur diejenigen lustig finden, die vergessen wollen, dass der deutsche Diktator für Krieg, Zerstörung und Völkermord steht.
Jana Anzlinger
Jana Anzlinger

"Total and utter disgrace"


Die Kammer ist fast leer, bevor es gleich zur entscheidenden zweiten Abstimmung kommt. Es sprechen verärgerte Tories, die gegen den Gesetzentwurf und heute noch nicht recht zu Wort gekommen sind. "Die Abgeordneten der Gegenseite sollten mal darüber nachdenken, in was für eine Art von Unterwürfigkeit und Unterjochung und Vasalität sie das Vereinigte Königreich bringen", beschwert sich etwa Brexiteer Bill Cash. Er sagt über die Situation: "It ist a total and utter disgrace." - "Es ist eine totale und heillose Schande."
Thomas Hummel
Thomas Hummel

Konservative Spelman stimmt auch gegen Johnson

Tatsächlich stimmt eine weitere Abgeordnete der Konservativen gegen die eigene Regierung: Caroline Spelman, frühere Umweltministerin, hat sich auf die Seite der Opposition geschlagen. Die Beobachter erwarten nun, dass Spelman ebenfalls aus der Fraktion fliegt und damit ihre Karriere in der Partei vorerst beendet ist.
Thomas Hummel
Thomas Hummel

Noch ein Rebell gegen Johnson?

Noch ist nicht klar, woher die zusätzliche Stimme gegen Johnsons Regierung kommt. Die BBC fragt bereits, ob nach diesem Ergebnis ein weiterer Konservativer aus der Fraktion fliegt.
Jana Anzlinger
Jana Anzlinger

Gesetzentwurf nimmt erste Hürde


Für den Entwurf der Opposition haben 329 Abgeordnete gestimmt, dagegen 300.
Damit haben die Fürsprecher des Anti-No-Deal-Gesetzes noch eine Stimme mehr erhalten als gestern. Nun werden Entwurf und Änderungsvorschläge im Detail diskutiert.
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