Brexit-Streit:EU startet Verfahren gegen Großbritannien

Lesezeit: 2 min

Die EU wirft der britischen Regierung Vertrags- und Vertrauensbruch vor. (Foto: Jonathan Brady/dpa)

Brüssel wirft London vor, gegen den 2019 ausgehandelten EU-Austrittsvertrag zu verstoßen. Hintergrund ist der Streit über die Sonderregeln für Nordirland.

Die Europäische Union hat ein Verfahren gegen Großbritannien wegen Verletzung des EU-Austrittsvertrags eingeleitet. Dies teilte die EU-Kommission am Montag in Brüssel mit. Hintergrund ist der Streit über Brexit-Sonderregeln für den britischen Landesteil Nordirland. Brüssel wirft London vor, Vereinbarungen eigenmächtig zu ändern und so gegen den 2019 ausgehandelten Vertrag zu verstoßen.

Das Vertragsverletzungsverfahren dürfte die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien weiter belasten. Das sogenannte Nordirland-Protokoll im Austrittsvertrag sieht vor, dass einige Regeln des EU-Binnenmarkts für Nordirland weiter gelten. Dies soll Kontrollen an der Landgrenze zum EU-Mitglied Irland auf der gemeinsamen Insel überflüssig machen. Doch entsteht damit eine Warengrenze zwischen Nordirland und dem übrigen Großbritannien. Einfuhren müssen kontrolliert werden.

MeinungMeinung am Mittag: Brexit-Folgen
:Wenn Recht zu Unrecht wird

Es ist ein Affront, dass die britische Regierung einseitig Zollerleichterungen für Nordirland verlängern will. Aber in der Sache hat der Hasardeur Boris Johnson recht - leider.

Kommentar von Björn Finke

Krisengespräche halfen nichts

Obwohl einige Monate Schonfrist mit verringerten Kontrollen vereinbart wurden, klagen Unternehmen über Probleme. In Nordirland blieben zeitweise Supermarktregale leer. Die erste Übergangsphase nach Vollendung des Brexits zum Jahreswechsel sollte Ende März vorbei sein. Danach sollten Lieferanten tierischer Produkte Gesundheitszertifikate für Lieferungen von Großbritannien nach Nordirland haben. Doch kündigte die britische Regierung eine einseitige Verlängerung mit Hinweis auf "oft übermäßige Konsequenzen" des Nordirland-Protokolls an.

Krisengespräche der EU mit Großbritannien halfen nichts. Wenige Tage später schuf London erneut vollendete Tatsachen und suspendierte ein Importverbot für Pflanzen, die in Erde aus Großbritannien eingetopft sind. Der zuständige EU-Kommissionsvize Maroš Šefčovič hatte scharf reagiert und der britischen Regierung Vertrags- und Vertrauensbruch vorgehalten. Auch die irische Regierung äußerte sich empört. Der britische Brexit-Beauftragte David Frost entgegnete, die britischen Maßnahmen seien rechtmäßig. Er sprach von "vorübergehenden, operativen Schritten".

Brexit könnte Insel erneut teilen

Die Nordirland-Frage gilt als eine der schwierigsten im Zusammenhang mit dem britischen EU-Austritt 2020. In dem britischen Landesteil bekämpften sich jahrzehntelang Befürworter eines unabhängigen vereinten Irlands und Anhänger der Union mit Großbritannien. Der Konflikt wurde mit dem Karfreitagsabkommen 1998 entschärft. Danach wurden beide Teile der Insel ein gemeinsamer Wirtschaftsraum ohne sichtbare Grenze.

Die Befürchtung ist, dass der Brexit die Insel erneut teilt. Für Großbritannien sind die Nordirland-Regeln politisch heikel, weil sich Nordirland vom Rest des Vereinigten Königreichs abgekoppelt fühlen könnte. Die EU pocht hingegen auf die Einfuhrkontrollen in Nordirland, da ohne sie eine Art Hintertür in den EU-Binnenmarkt entstehen könnte. Im schlimmsten Fall müsste doch an der inneririschen Grenze kontrolliert werden - politisch für die EU und ihr Mitglied Irland unannehmbar.

Zwischen London und Brüssel ist der Ton inzwischen sehr rau, zuletzt auch im Konflikt um Corona-Impfstoff. EU-Ratspräsident Charles Michel warf Großbritannien vor, einen Exportstopp verhängt zu haben. London wies dies empört zurück. Dabei geht es vor allem um das Mittel des britisch-schwedischen Herstellers Astra Zeneca, der große Mengen in Großbritannien herstellt und dort auch ausliefert. Die Lieferpflichten an die EU hält das Unternehmen hingegen nicht ein, unter anderem mit dem Hinweis auf Exportbeschränkungen.

© SZ/dpa/dwue - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Großbritannien
:Schmerz, lass nach

Die britische Wirtschaft bekommt die Folgen des Brexits deutlich zu spüren: Die Exporte in die EU brechen um 40 Prozent ein. Dennoch gibt es Hoffnung.

Von Alexander Mühlauer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: