Partygate-Affäre:Britisches Unterhaus stimmt über Sanktionen gegen Johnson ab

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Ex-Premierminister Boris Johnson kam etwaigen Sanktionen mit einem Rücktritt als Abgeordneter zuvor. (Archivbild) (Foto: DANIEL LEAL/AFP)

Die Abgeordneten könnten den Ex-Premierminister für Lügen über illegale Partys während des Corona-Lockdowns abstrafen. Auch für den aktuellen Premier könnte es unangenehm werden.

An diesem Montag feiert der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson seinen 59. Geburtstag. Das britische Unterhaus indes beschäftigt sich mit Partys, die Johnson in der Vergangenheit, genauer gesagt während des Corona-Lockdowns in Großbritannien gefeiert hat. Die Abgeordneten beraten über das Ergebnis der parlamentarischen Untersuchung zu Boris Johnsons Äußerungen im Partygate-Skandal.

Der am vergangenen Donnerstag veröffentlichte Bericht hatte Johnson ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Demnach hatte der frühere konservative Premierminister das Parlament wieder und wieder belogen, als es um die Aufarbeitung von Lockdown-Verstößen während der Pandemie im Regierungssitz 10 Downing Street und anderen Regierungsbehörden ging.

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Die Debatte und mögliche Abstimmung befassen sich unter anderem mit den Feierlichkeiten zu Johnsons Geburtstag vor drei Jahren. Weil er sich trotz Kontaktbeschränkungen mit Kuchen feiern ließ, erhielt er von der Polizei später eine Geldstrafe. Wie sich herausstellte, war das kein Einzelfall: In den Regierungsgebäuden wurde gezecht und gefeiert, während das Land im Lockdown verharrte. Mehr als 100 Geldstrafen verhängte Scotland Yard gegen Regierungsmitarbeiter im sogenannten Partygate-Skandal. Doch als Bilder und Augenzeugenberichte an die Öffentlichkeit kamen, stritt Johnson zunächst alles ab. Alle Regeln seien befolgt worden, behauptete er im Parlament. Als das nicht mehr zu halten war, gab er an, nichts von den Feiern mitbekommen zu haben. Als schließlich klar wurde, dass er selbst mitgefeiert hatte, stellte er sich auf den Standpunkt, nicht gemerkt zu haben, dass es sich um illegale Feiern handelte. Der Ausschuss nahm ihm nichts davon ab.

Johnson sieht in Untersuchung eine Hexenjagd von Brexit-Gegnern

Bei der Debatte geht es nun darum, ob sich das Unterhaus das Untersuchungsergebnis zu eigen macht und Sanktionen gegen Johnson verhängt. Einer vom Ausschuss empfohlenen Suspendierung von 90 Tagen kam Johnson zuvor, indem er sein Mandat niederlegte. Ihm droht jedoch noch der Entzug seines Parlamentsausweises, wie ihn Ex-Abgeordnete erhalten. Johnson hatte den Ausschuss zuvor als "kangaroo court" (Willkürgericht) geschmäht. Er sieht in der Untersuchung eine Hexenjagd von Brexit-Gegnern und persönlichen Feinden. Zu dem Untersuchungsergebnis sagte er: "Das ist Müll. Es ist eine Lüge. Um zu dieser irrsinnigen Schlussfolgerung zu kommen, muss der Ausschuss eine Reihe von Dingen sagen, die offensichtlich absurd sind oder den Tatsachen widersprechen." Wer recht hat, sollen nun die Abgeordneten entscheiden.

Ob es zur Abstimmung kommt, hängt aber davon ab, ob der Bericht überhaupt auf Widerstand trifft. Ansonsten könnte es sein, dass er ohne Abstimmung einstimmig angenommen wird. Für Johnson könnte eine Abstimmung unangenehm werden, weil sie die tatsächliche Zahl seiner Unterstützer in der Tory-Fraktion offenbaren dürfte.

Sunak hat es bisher vermieden, seinen Vorgänger zu kritisieren

Auch den aktuellen Premierminister Rishi Sunak bringt die Abstimmung in eine Bredouille. Er hatte es bisher vermieden, Johnson direkt für dessen Partygate-Äußerungen zu kritisieren. Sunak hat im Vorfeld der Abstimmung angekündigt, sich nicht festlegen zu wollen. Er wolle das Votum nicht beeinflussen, sagte der Parteichef der Konservativen wenige Stunden vor der Debatte am Montag. "Es ist wichtig, dass sich die Regierung nicht einmischt, denn es ist eine Sache des Parlaments und der Abgeordneten als Einzelpersonen, nicht als Mitglieder der Regierung." Die Zeitung Times berichtete, Sunak werde der Abstimmung fernbleiben und damit eine Festlegung vermeiden. Die Opposition warf ihm daraufhin Führungsschwäche vor. Auch die Mehrheit der Tory-Abgeordneten wird sich aller Voraussicht nach enthalten. So könnte der Bericht mit den Stimmen der Oppositionsparteien angenommen werden.

Johnsons Karriere im Unterhaus ist auch ohne die Sanktion vorerst beendet. Er trat bereits einen neuen Job als Kolumnist für die konservative Boulevardzeitung Daily Mail an. Er dürfte Sunak fortan mit beißender Kritik aus den Kommentarspalten das Leben schwermachen.

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