Großbritannien:Johnson tritt als Abgeordneter zurück und belohnt "Partygate"-Helfer

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Boris Johnson war bis September 2022 britischer Premierminister. Nun belohnt er einige Vertraute. (Foto: PETER NICHOLLS/REUTERS)

Ein Ausschuss wirft dem ehemaligen Premier vor, das Parlament belogen zu haben. Der Fall dürfte auch den aktuellen Regierungschef Sunak belasten.

Der britische Ex-Premierminister Boris Johnson hat nach Ansicht eines Parlamentsausschusses das Unterhaus belogen. Er tritt deshalb als Abgeordneter mit sofortiger Wirkung zurück, wie Johnson am Freitagabend mitteilte. Er betonte zugleich, er habe kein Verständnis für die Vorwürfe des Ausschusses in dem Skandal um illegale Lockdown-Feiern in der Downing Street. Der Ausschuss zur "Partygate"-Affäre, in dem auch Abgeordnete von Johnsons Konservativer Partei vertreten sind, habe empfohlen, den Ex-Premier für zehn Tage zu suspendieren, berichteten britische Medien übereinstimmend. Der Fall dürfte auch den aktuellen Regierungschef Rishi Sunak belasten.

Er sei sehr traurig, das Parlament - zumindest vorerst - verlassen zu müssen, hieß es in Johnsons Mitteilung weiter. Aber er sei "auf antidemokratische Weise" von einem Ausschuss unter Vorsitz einer Politikerin der Labour-Partei "mit ungeheuerlicher Voreingenommenheit aus dem Parlament gedrängt" worden. Inmitten schlechter Umfragewerte für die konservativen Tories wird es nun eine Nachwahl in Johnsons Wahlkreis im Nordwesten Londons geben.

Der 58-Jährige kritisierte seinen Nach-Nachfolger Sunak deutlich. Als er im Sommer 2022 die Downing Street verlassen habe, hätten die Tories in Umfragen nur knapp hinter der stärksten Oppositionspartei Labour zurückgelegen. "Diese Lücke ist nun viel größer geworden", betonte Johnson. Umfragen deuten aktuell auf eine krachende Niederlage der Konservativen bei der für 2024 geplanten Parlamentswahl hin. Johnson hat vor allem an der Parteibasis noch immer viele Unterstützer - im Gegensatz zu Sunak, den viele Mitglieder als "Königsmörder" des Populisten sehen.

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Zuvor hatte der Parlamentsausschuss das Ermittlungsergebnis an Johnson übergeben. Die Mitglieder des Privileges Committee hätten dem 58-Jährigen zwei Wochen Frist für eine Antwort eingeräumt, berichtete die BBC am Freitag. In dem "Warnschreiben" seien Kritikpunkte und entsprechende Beweise aufgelistet sowie die Strafe, die die Abgeordneten empfehlen wollen. Johnson kommt mit seinem Rücktritt nun einem Votum im Unterhaus zuvor.

Der Ausschuss untersucht, ob Johnson das Parlament in dem Skandal um illegale Lockdown-Partys in der Downing Street belogen hat - und hat diese Frage nun offensichtlich bejaht. Während der Corona-Pandemie hatten sich Regierungsbeschäftigte immer wieder entgegen der Vorschriften in der Downing Street und Behörden zu Feiern mit Alkohol und Musik getroffen. Johnson und Sunak mussten wegen ihrer Teilnahme an einer Veranstaltung jeweils eine Geldstrafe zahlen. Der Ex-Regierungschef betonte, der Ausschuss habe nicht einen "Schnipsel" eine Beweises für seine Verfehlungen vorgelegt.

Johnson belohnt Vertraute und "Partygate"-Helfer

Etwas mehr als neun Monate nach Johnsons Rückzug als Premierminister hatte die britische Regierung am Freitag seine "Prime Minister's Resignation Honours List" veröffentlicht. Wie alle ehemaligen britischen Regierungschefs durfte auch Johnson neue Mitglieder für das House of Lords ernennen oder für royale Ehrungen nominieren. Er belohnte mehrere Vertraute und Mitarbeiter aus der "Partygate"-Affäre.

Ins Oberhaus berufen werden unter anderem Johnsons früherer Stabschef Dan Rosenfield oder der ehemalige Londoner Bürgermeister-Kandidat Shaun Bailey. Für Aufsehen sorgte aber vor allem, dass politische Freunde wie Ex-Wirtschaftsminister und Erz-Brexiteer Jacob Rees-Mogg und Ex-Innenministerin Priti Patel künftig als Sir beziehungsweise Dame Ehrentitel tragen werden.

Johnsons ehemaliger Büroleiter Martin Reynolds, der zu einer illegalen Lockdown-Feier in der Downing Street einlud, erhält ebenfalls einen royalen Titel. Seine einst enge Mitarbeiterin Shelley Williams-Walker, die bei einer Corona-Party am Vorabend der Beisetzung von Queen-Gemahl Prinz Philip die DJane gab, wird zur Dame.

Die Opposition kritisierte, Johnson missbrauche die Tradition der Ernennungen und Ehrungen für Vetternwirtschaft. Auch ehemalige Mitarbeiter Johnsons zeigten sich empört. Für das House of Lords gibt es keine Obergrenze. Mit etwa 800 Mitgliedern ist es die größte Parlamentskammer der Welt nach dem chinesischen Volkskongress.

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