Großbritannien:Danke für nichts

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Charlotte Owen ist nun das jüngste Oberhaus-Mitglied. Dafür hat der frühere Premierminister Boris Johnson gesorgt. (Foto: Screenshot/Parliament TV)

Ohne seine junge Beraterin Charlotte Owen wäre Boris Johnson wohl früher gestrauchelt. Jetzt hievt er sie auf Lebenszeit ins Oberhaus - auf Kosten der Steuerzahler. In Großbritannien erkennen manche nun Reformbedarf.

Von Alexander Mühlauer, London

Kurz vor der politischen Sommerpause bekam das britische Oberhaus ein neues Mitglied. Das wäre nicht weiter der Rede wert, hätte die Ernennung von Charlotte Owen nicht eine Debatte darüber ausgelöst, wer da eigentlich wie lange auf Steuerzahlerkosten sitzt. Owen ist gerade mal 30. Und damit nun das jüngste Oberhaus-Mitglied, ernannt auf Lebenszeit.

Baroness Owen of Alderley Edge, wie sie jetzt heißt, verdankt ihren Titel einem gewissen Boris Johnson. Der frühere Premierminister hatte ihren Namen auf eine besondere Liste geschrieben. Für die Liste der Prime Minister's Resignation Honours dürfen aus dem Amt geschiedene Regierungschefs all jene benennen, die ihrer Meinung nach eine Ehrung durch den Monarchen verdient haben. Meistens sind das langjährige politische Weggefährten, aber eben nicht nur.

Dass ausgerechnet Owens Name auf der Liste landete, sorgte in Westminster jedenfalls für eine gewisse Verwunderung. Hatte sie doch erst seit 2021 als special adviser für Johnson gearbeitet. Als dieser in der Partygate-Affäre um sein Amt kämpfen musste, war Owen Teil der Operation Save Big Dog. Mit Big Dog war natürlich BoJo gemeint. Und Owens Aufgabe war es, die Tory-Abgeordneten davon zu überzeugen, dass es nur einen Big Dog geben kann.

Vor ein paar Tagen zitierte die Sunday Times ein Mitglied des Rettungskommandos mit den Worten, dass Johnson ohne Owen sehr viel schneller von der Bildfläche verschwunden wäre. Sie sei "super smart", äußerst intelligent und sehr beliebt bei den konservativen Abgeordneten. Eine von ihnen, Caroline Dinenage, bezeichnete Owen als "wahrscheinlich einen der effektivsten Menschen, die Boris in seinem Team hatte".

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Wie es aussieht, hat Johnson sich dafür auf seine Art bedankt. Er hievte Charlotte Owen ins Oberhaus, genauso wie Ross Kempsell, einen weiteren ehemaligen Berater. Kempsell ist nur ein Jahr älter als Owen. Zusammen werden sie das Durchschnittsalter im House of Lords immerhin ein wenig senken. Bevor die beiden zu Oberhaus-Mitgliedern ernannt wurden, lag es bei 71.

Auch wenn manche Lords eine Verjüngung der altehrwürdigen Institution durchaus begrüßen, wird in Großbritannien nun darüber debattiert, wie zeitgemäß das Oberhaus überhaupt noch ist. Mit gut 800 Mitgliedern gilt das House of Lords nach Chinas Volkskongress als zweitgrößte Parlamentskammer der Welt. Bis zu 342 Pfund, also fast 400 Euro, bekommen die Mitglieder als Tagespauschale.

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Kein Wunder, dass sich gerade jetzt, in Zeiten hoher Inflation, die Frage stellt, ob die vielen Oberhaus-Mitglieder ihr Geld wirklich wert sind. Reformvorschläge gibt es genug. So will Labour-Chef Keir Starmer das House of Lords durch eine Kammer gewählter Vertreter der britischen Regionen und Nationen ersetzen.

Bis zur letzten tiefgreifenden Reform im Jahr 1999 bestand das Oberhaus vor allem aus Vertretern des Erbadels. Das hat sich geändert. Es sitzen zwar immer noch Menschen wegen ihrer Vorfahren dort, aber mittlerweile werden die meisten Mitglieder aufgrund ihrer mehr oder weniger nachvollziehbaren Verdienste in Politik und Gesellschaft ernannt. So wie Baroness Owen of Alderley Edge.

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