Manchmal schwingt schon in einem einzelnen Wort die besondere Bedeutung einer Institution mit. In Deutschland gehört zu diesen Begriffen der "Kontrollrat"; das Gremium der Siegermächte war nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die oberste Besatzungsbehörde. In jedem deutschen Geschichtsbuch ist der "Alliierte Kontrollrat" zu finden.
Jetzt soll es, jedenfalls wenn es nach dem Kanzleramt geht, von Januar 2022 an wieder einen Kontrollrat geben, dieses Mal als oberste Bundesbehörde. Keine Militärs sollen dieses Mal dort sitzen, sondern sechs Bundesrichter und Bundesanwälte, und ihre Aufgabe wird eine ziemlich ungewöhnliche sein: Sie sollen darüber wachen, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) bei seinen weltweiten Abhöraktionen streng nach Recht und Gesetz handelt.
Eine mächtige neue Aufsicht für die Spione soll so entstehen. Sieben Jahre nach den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden hat das Kanzleramt nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR am Samstag einen 111 Seiten umfassenden Gesetzentwurf in die sogenannte Ressortabstimmung gegeben, ein notwendiges Verfahren, bevor das Kabinett ein Gesetz beschließt und dem Parlament zur Debatte und Abstimmung vorlegt.
Die bisher umfassendste Änderung des BND-Gesetzes ist notwendig, weil die Karlsruher Verfassungsrichter die Regierung dazu zwangen. In einem spektakulären Urteil hatten die Richter im Mai entschieden, dass die bis dahin geltende Praxis, Ausländer im Ausland ohne jede Einschränkung abhören zu können, nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren sei. Viel zu halbherzig seien außerdem die rechtsstaatlichen Kontrollen des Dienstes. Zu Unrecht ziehe sich der BND etwa auf das Argument zurück, seine Absprachen mit anderen Diensten wie dem US-Abhörgiganten NSA seien zu geheim, um sie je Richtern zu zeigen.
In Zukunft brauche es rechtsstaatliche Sicherungen und nachvollziehbare Begründungen, hat Karlsruhe gefordert. All dies, so entschieden die Richter, müsse unabhängig überwacht werden. Seither brüteten Regierungsjuristen und Experten der beim BND für das Abhörgeschäft zuständigen Abteilung "Technische Aufklärung" über dem Urteil. Dass es auf 145 Seiten mit insgesamt 331 Randnummern ziemlich detailliert ist, machte die Spielräume für das Gesetz einerseits eng. Andererseits schuf es auch Klarheit, was geht und was eben nicht mehr geht.
Das Kanzleramt versucht nun, den Vorgaben aus Karlsruhe so zu entsprechen: Der neue "Unabhängige Kontrollrat", so der Gesetzentwurf, soll sich alles ansehen dürfen, was der Bundesnachrichtendienst weltweit unternimmt. Er wird größere Überwachungsaktionen wie die "strategische", das heißt verdachtsunabhängige Durchsuchung kompletter Telefonnetze genehmigen. Aber auch kleinere Überwachungsmaßnahmen. Und er soll alle vom BND verwendeten Suchbegriffe prüfen dürfen, selbst wenn diese von den Freunden von der NSA stammen.
Das alles soll zwar unter größter Geheimhaltung ablaufen. Für die Mitglieder des Kontrollrats gilt absolute Verschwiegenheit. Aber die sechs Juristen sollen intern ganz unabhängig arbeiten und entscheiden können. Vier von ihnen sollen Bundesrichter, zwei Bundesanwälte sein. Gemeinsam sollen sie zwei dreiköpfige "Kammern" bilden und einen fünfköpfigen "Senat".