Blutbad in Marrakesch:Ein Anschlag, der aufs Königshaus zielt

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Noch hat sich niemand zu dem Anschlag in Marrakesch bekannt, doch das Blutbad trägt die Handschrift radikaler Islamisten. Das Attentat traf Touristen, zielte aber vor allem auf König Mohammed VI.

Lilith Volkert

In Marokko hat der arabische Frühling am Donnerstag vorerst ein jähes Ende gefunden. Das Attentat in Marrakesch, bei dem mindestens 16 Menschen getötet und 21 verletzt wurden, hat die Hoffnung auf schnelle und friedliche demokratische Reformen und einen wirtschaftlichen Aufschwung erst einmal zerstört. Marokko ist nicht länger der ruhende Pol im derzeit sehr revolutionären und kämpferischen Nordafrika.

Explosion im Touristen-Café: Wer für den Anschlag im Zentrum von Marrakesch verantwortlich ist, ist noch unklar. (Foto: dpa)

Noch hat niemand die Verantwortung für den Anschlag auf das Café Argana übernommen. Es ist auch nicht klar, ob es ein Selbstmordattentäter war, der am Donnerstagmittag Ortszeit in dem gutbesuchten Touristen-Café eine Explosion ausgelöst hat. Regierungssprecher Khalid Naciri sagte am Donnerstagabend, man müsse abwarten, bis die Ermittler ihre Schlussfolgerungen aus den Untersuchungen des Tatorts gezogen haben. Unbestätigten Berichten zufolge sollen am Freitag aber bereits erste Verdächtige festgenommen worden sein.

Es wird vermutet, dass die frühere "Salafisten-Gruppe für Predigt und Kampf" hinter dem Attentat steckt. Die Terrorgruppe hat sich vor vier Jahren in "Organisation al-Qaida im Islamischen Maghreb" (AQMI) umbenannt und Osama bin Ladens Terrornetzwerk angeschlossen. Sie ist in ganz Nordafrika, vor allem aber in Marokkos Nachbarland Algerien, aktiv. Mit Unterstützung der USA konnte sie zwischenzeitlich zurückgedrängt werden, durch den Krieg in Libyen könnte sie vermutlich aber wieder an Boden gewonnen haben.

Stoppt der Anschlag den politischen Frühling?

Für die marokkanischen Sicherheitskräfte, die nicht erst seit den letzten größeren Anschlägen vor acht Jahren hart gegen islamische Extremisten durchgreifen, kam der Anschlag überraschend. Nachdem im Mai 2003 bei Selbstmordattentaten auf westliche und jüdische Einrichtungen in der Wirtschaftsmetropole Casablanca 45 Menschen ums Leben gekommen waren, hatten die Sicherheitskräfte mehrere Zellen einer zu al-Qaida gehörenden Gruppe zerschlagen und Tausende mutmaßliche Extremisten verhaftet. Seitdem hatte es keine größeren Attentate mehr gegeben. Als Zeichen seines guten Willens begnadigte König Mohammed VI. im April fast 200 Häftlinge. Darunter waren auch viele Islamisten - denen allerdings keine Gewalttaten vorgeworfen worden waren.

Nun bremst der blutigste Anschlag seit 2003 auch den Reformprozess des vergleichsweise fortschrittlichen Königs aus. Seit seiner Thronbesteigung im Jahr 1999 gilt Mohammed VI. als Verbündeter des Westens und als Freund der USA. Er hat in Frankreich studiert und gilt als deutlich gemäßigter als sein Vater, der vorige König Hassan II.

Nachdem auch die Marokkaner seit dem 20. Februar regelmäßig für Demokratie und Meinungsfreiheit auf die Straße gehen, versprach König Mohammed VI. eine Verfassungsreform, die transparentere Wahlen ermöglichen und Parlament und Justiz stärken soll. Blutige Unruhen wie in anderen Ländern der Region waren dadurch ausgeblieben. Gerade konservative und religiöse Kräfte werden den Anschlag in Marrakesch nun als zusätzlichen Anlass zum Widerstand gegen Mohammeds Politik nutzen.

Auch die Wirtschaft des nordafrikanischen Ferienlands trifft das Attentat, das in einem vor allem von Ausländern besuchten Café stattfand, bis ins Mark. Marokkos Ökonomie ist weitgehend vom Tourismus abhängig, allein eine halbe Million Urlauber besuchen jedes Jahr die Wüstenstadt Marrakesch. Die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr, der bereits unter den Unruhen in Ägypten und Tunesien gelitten hat, werden nun wohl deutlich zurückgehen.

Sollte tatsächlich das Terrornetzwerk al-Qaida hinter dem blutigen Attentat in Marrakesch stehen, so hätten sich die Extremisten damit in Nordafrika wieder ins Spiel gebracht. Bei den weitgehend friedlichen Revolutionen in Tunesien und Ägypten hatten islamistische Gruppierungen eine untergeordnete Rolle gespielt, auch bei den Kämpfen in Libyen fallen die selbsternannten Gotteskrieger nicht auf. Zumindest in Marokko könnten sie nun erneut Angst und Schrecken sähen und damit eine weitere Demokratisierung zu verhindern versuchen.

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