Musik:Die Krönung

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Teil des südkoreanischen Popkulturwunders: Das Musikvideo zur Single "Lalisa" wurde schon mehr als 300 Millionen Mal aufgerufen. (Foto: Blackpink/Lisa/YouTube)

Asiens K-Pop-Superstar Lisa will sich von ihrer Heimat Thailand nicht als Kulturbotschafterin vereinnahmen lassen.

Von David Pfeifer, Bangkok

Lisa heißt der derzeit wohl größte weibliche Popstar der Welt. Wer sie nicht kennt, lebt vielleicht im weniger dicht besiedelten Europa. In Asien aber kann man weder in Singapur Taxi fahren, in Bangkok den Fernseher anmachen noch in Seoul ins Kino gehen, ohne dass man Lisa singen und tanzen sieht. Als Teil der Girlgroup Blackpink war Lisa schon ein Superstar, bevor sie vor acht Wochen ihr erstes Solo-Album auf den Markt brachte. Blackpink, für die Europäer, ist das weibliche Gegenstück zu BTS. Bei BTS wiederum handelt es sich um die wohl erfolgreichste Boygroup der Welt, derzeit. Wie BTS sind auch Blackpink ein Exportschlager des südkoreanischen Popkulturwunders, das gerade die Welt erobert und dem man auch Filme wie "Parasite" oder Serien wie "Squid Game" zuordnen kann.

Lisa aber ist Thailänderin, sie heißt eigentlich Pranpriya Manobal. Als Lalisa Manobal rappte sie bei Blackpink, abwechselnd auf Thai, Koreanisch und Englisch. Ihre Debüt-Single "Lalisa" vom gleichnamigen Album hatte in den ersten 24 Stunden auf Youtube bereits über 70 Millionen Views, bis heute sind es 319 Millionen. Es ist perfekt produzierter Pop, der Bass schiebt sich rasch ins Bewusstsein, die Refrains nisten sich länger dort ein. In einer Sequenz des Musikvideos trägt Lisa eine Chada, eine goldene Tanzkrone, die auf jedem thailändischen Tourismusprospekt zu finden ist, nach oben spitz zuläuft und wie eine umgedrehte Fackel aussieht. Seit das Lied ein Hit wurde, sind Chadas in Thailand wieder sehr gefragt, wie das Online-Magazin Khaosod berichtete. Und das, obwohl Chadas bisher nicht in Clubs getragen werden, man sah sie eher bei Folkloretänzen.

Vor Jahren trug auch Lady Gaga, der größte weibliche Popstar der westlichen Welt, eine Chada bei einem Auftritt in Bangkok, damals waren die Reaktionen aufgeregt bis beleidigt. Sie lassen sich unter dem Begriff "kulturelle Aneignung" zusammenfassen. Der Vorwurf: Gaga würde die Krone tragen, ohne die Kultur dahinter zu vertreten. Ganz anders nun bei Lalisa Manobal, die sogleich von der thailändischen Regierung als Popbotschafterin verpflichtet werden sollte, um bei einem "Kultur und Tourismus"-Konzert an Neujahr auf der Insel Phuket Werbung für das Land und seine Öffnung nach der Pandemie zu machen. 100 Millionen Bath wurden für einen Auftritt von Lisa und Andrea Bocelli bereitgestellt, etwa 2,6 Millionen Euro. Das wiederum regte nicht wenige Kulturschaffende in Thailand auf. Seitdem sich das Militär 2014 an die Macht geputscht hat, bevorzugt die Kulturförderung eher Unkritisches. Erst seit Kurzem wird mit Neid auf die Exportschlager aus Südkorea geblickt, zu denen ohne Zweifel Lisa gehört, auch wenn sie in Thailand geboren wurde.

Ihr Management teilte kurz nach der Ankündigung mit, dass man sich geehrt fühle, Lisa aber sei "nicht in der Lage, an dem Event teilzunehmen". Peinlich für Tourismus-Minister Phiphat Ratchakitprakarn, der schon Werbung mit ihr gemacht hatte. Ob Lalisa Manobal andere Verpflichtungen hat, ist nicht bekannt. Vielleicht wollte sie nur kein Opfer von Aneignung werden, weder von kultureller noch von politischer.

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