Volksentscheide, so hat es der frühere Bundespräsident Joachim Gauck einmal formuliert, seien dazu da, "die Politik das Laufen zu lehren". In diesem Sinne kann die Initiative "Rettet die Bienen" für mehr Artenschutz in Baden-Württemberg als voller Erfolg gelten. Sie hat die Landespolitik gehörig auf Trab gebracht.
Der Trägerkreis um zwei Stuttgarter Berufsimker hatte Ende September kaum mit dem Unterschriftensammeln begonnen, da hat ihnen die grün-schwarze Landesregierung unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ein verlockendes Angebot gemacht: Zieht euren Gesetzentwurf zurück, und wir werden mit euch zusammen freiwillig das strengste Naturschutzgesetz in ganz Deutschland erarbeiten und uns außerdem die ambitioniertesten Ziele zur Förderung der ökologischen Landwirtschaft setzen. Alles, um zu verhindern, dass am Ende die Bürger abstimmen.
Noch ist das Ringen um das Bienenbegehren nicht beendet
Das Bienen-Volksbegehren in Baden-Württemberg ist nicht nur wegen seiner Ziele interessant. Es zeigt auch einen beginnenden Wandel im Umgang mit dem Instrument der Volksgesetzgebung: "Die Entwicklung geht hin zum runden Tisch im Rahmen der direkten Demokratie", stellt Susanne Socher vom Verein "Mehr Demokratie" fest. Zum zweiten Mal passiert auf Landesebene, was sie auf kommunaler Ebene schon länger beobachtet, etwa bei Bürgerbegehren zum Radverkehr: Da kommt es oft gar nicht mehr zur Abstimmung, weil Gemeinderäte Kompromisse aushandeln.
Noch ist das inhaltliche Ringen um das Bienenbegehren nicht beendet: Der Trägerkreis hat sich Mitte Oktober zur Zusammenarbeit mit der Landesregierung bereit erklärt - mit der Option, dass er seine Unterschriftensammlung fortsetzt, wenn der Dialogprozess nicht bis Weihnachten die gewünschten Ergebnisse bringt. Damit das nicht passiert, soll jetzt alles schnell gehen. Das Kabinett hat vor den Herbstferien die mit den Bienenfreunden vereinbarten Eckpunkte abgesegnet. Nun soll bald das erste Arbeitstreffen folgen.
Der Blick nach Bayern setzte Kretschmann und seine Minister unter Druck
Aus Sicht der grün-schwarzen Landesregierung ist das Volksbegehren eine Bedrohung für die konventionelle Landwirtschaft, weil es ein weitgehendes Pestizidverbot enthält, das auch in Landschaftsschutzgebieten gelten soll - und das ohne jede Übergangsfrist. Über dieses Verbot ist in Baden-Württemberg ein derart heftiger Konflikt zwischen Artenschützern und Bauern entbrannt, dass Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) schon eine "Spaltung der Gesellschaft" kommen sah.
Der Blick nach Bayern hat Kretschmann und seine Minister zusätzlich unter Druck gesetzt. Dort hatten Anfang des Jahres mehr als 1,7 Millionen Menschen für das Volksbegehren Artenschutz - "Rettet die Bienen" - unterschrieben. Man befürchtete, dass viele Bürger in Baden-Württemberg annehmen würden, dass nicht verkehrt sein könne, was in Bayern so große Zustimmung fand. Dabei tragen die beiden Volksbegehren zwar denselben Namen, unterscheiden sich inhaltlich aber deutlich. Vieles von dem, was die bayerischen Artenschützer forderten, ist im Südwesten schon umgesetzt. In Baden-Württemberg wurden Unterschriften für ein Gesetz gesammelt, das sehr viel weiter geht.