Eigentlich ist das Grundgesetz nicht misszuverstehen. "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden", so steht es in Artikel 3, ziemlich weit oben also. Wer aber in Deutschland schon mal eine Wohnung gesucht hat und nicht Müller, Schneider oder Huber heißt, der könnte auf die Idee kommen, dass die Herkunft - oder das, was der Vermieter als Herkunft annimmt - manchmal vielleicht doch eine Rolle spielt.
Ähnlich wie mit der Wohnung verhält es sich auch mit dem Job. Schon vor Jahren haben Soziologen nachgewiesen: Namen oder Äußerlichkeiten, die nahelegen, dass die Familie eines Bewerbers nicht seit eh und je in Deutschland lebt, sind ein Nachteil. Und das nicht erst im Einstellungsgespräch, man muss erst mal überhaupt eingeladen werden.
Den Mechanismen, die dieser Benachteiligung zugrunde liegen, nähert sich eine neue Studie an. Die Autorinnen, Janina Söhn und Sophie Krug von Nidda, haben für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung etwa 650 Bewerbungsprozesse untersucht und Tiefeninterviews mit Personalern geführt. Die Diskriminierung, so lässt sich das Ergebnis zusammenfassen, kommt häufig in einer Art Verkleidung daher: nämlich mit dem Satz, dass die Herkunft natürlich keine Rolle spiele. Wohl aber die Frage, ob die Kandidatinnen und Kandidaten zu den Mitarbeitern und zu den Kunden eines Unternehmens passten.
Es mangelt nicht bloß an Fachkräften, sondern überhaupt an Arbeitskräften
Da ist zum Beispiel die Personalerin aus dem Einzelhandel, die sagt: "Kopftuchträgerinnen haben es (...) sehr schwer." Das gelte insbesondere in Gegenden, in denen "die Reichen wohnen. Da können wir dann keine reinsetzen, die ein Kopftuch trägt". Eine andere Personalerin sagt, sie könne nicht nur afghanische Männer einstellen. "Die lassen sich von unseren Frauen nichts sagen."
Alles in allem, so schreiben es die Autorinnen, haben Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund eine um 18 Prozentpunkte schlechtere Chance auf einen Job als Bewerber mit dem gleichen Schulabschluss ohne Migrationshintergrund. Sie fordern, Unternehmen sollten ihre Einstellungsprozesse fairer gestalten, etwa indem sie in den Bewerbungsunterlagen auf Fotos und Namen verzichten. Ausführliche Gespräche, Probearbeitstage und Praktika könnten außerdem dazu beitragen, Vorurteile abzubauen.
Die Frage ist ohnehin, wie lang sich Firmen eine solche Haltung gegenüber Menschen ausländischer Herkunft noch leisten können. Es mangelt in Deutschland ja nicht bloß an "Fachkräften", wie oft zu hören ist, sondern überhaupt an Arbeitskräften. Es fehlen Kellner und Paketbotinnen, Möbelverkäufer und Bäckerinnen, Zahntechniker und Ingenieurinnen. Und noch viele weitere: Die Liste der sogenannten "Engpassberufe" der Bundesagentur für Arbeit zählt inzwischen 148 Professionen. Die neue Chefin der Behörde, Andrea Nahles, hat es kürzlich wieder einmal gesagt: 400 000 Menschen aus dem Ausland müssen kommen, und zwar jährlich. Sie fair zu behandeln, ist nicht nur eine rechtliche und moralische Verpflichtung, sondern auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit.