Holocaust-Entschädigung:Berlin prüft Schadensersatz-Forderung

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Um 42 Millionen Dollar sollen Betrüger die Bundesrepublik geprellt haben - mit gefälschten Biographien von NS-Opfern. Jetzt erwägt die Bundesregierung, Schadensersatz zu fordern.

Abgebliche NS-Opfer haben die Bundesrepublik in den USA um Millionen gebracht. Jetzt prüft die Bundesregierung ob sie Schadensersatz verlangen soll. Dies teilte ein Sprecher des Finanzministeriums mit. Über die laufenden Ermittlungen in den USA sei die Bundesregierung "fortwährend unterrichtet" worden. Auch die deutsche Botschaft in Washington sei eingeweiht gewesen.

Mit erlogenen Erlebnissen haben vorgebliche NS-Opfer die Bundesrepublik um Entschädigungsgelder in Millionenhöhe gebracht. Die Aufnahme aus der Zeit von 1940 bis 1945 zeigt Häftlinge im KZ Auschwitz-Birkenau. (Foto: dpa)

Nach Erkenntnissen der US-Staatsanwaltschaft ist ein von Deutschland finanzierter Entschädigungsfonds für Holocaust-Überlebende um mehr als 42 Millionen Dollar (30 Millionen Euro) betrogen worden. Die Summe sei in den vergangenen 16 Jahren an unrechtmäßige Empfänger überwiesen worden, teilten die Ermittler in New York mit.

Die Betrüger haben nach Darstellung der Staatsanwaltschaft durch "gefälschte Ausweise, getürkte Behörden-Unterlagen und gute Kenntnisse des Holocausts" die Entschädigungen erschlichen. Dabei seien sie noch von kriminellen Mitarbeitern der Conference on Jewish Material Claims Against Germany unterstützt worden, der 1951 in New York zur Entschädigung von Holocaust-Opfern eingerichtet worden war. Der Betrug sei "gleichermaßen beträchtlich und ärgerlich", sagte Staatsanwalt Preet Bharara.

Der Betrug lief einem Bericht der New York Times zufogle meist nach dem gleichen Schema ab: Über russischsprachige Zeitungen im Bereich New York wurden Auswanderer aus Russland von Mitarbeitern des Fonds "rekrutiert" und mit gefälschten Unterlagen auf den Entschädigungsantrag vorbereitet. Vielfach seien die Erlebnisse der Auswanderer "manipuliert und auf die Vorgaben der Fonds zurechtgeschneidert" worden, hieß es. Am Ende hätten die Mitarbeiter der Organisation einen Anteil von den derart "Entschädigten" kassiert.

Abzocke aus zwei Töpfen

Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft wurden inzwischen insgesamt 17 Personen angeklagt, unter ihnen der Chef der betroffenen zwei Fonds, Semen Domnitser, sowie fünf weitere feste Angestellte der Conference on Jewish Material Claims Against Germany.

Die amerikanische Bundespolizei FBI habe im Vorjahr die Ermittlungen aufgenommen, als anderen Angestellten des Fonds zwei Anträge von verschiedenen Personen mit "bemerkenswert ähnlichen" Begründungen aufgefallen waren.

"Fonds, die von der deutschen Regierung geschaffen und finanziert wurden, um Holocaust-Opfern zu helfen, wurden von den Gierigen abgeschöpft - und nicht wie geplant an die Bedürftigen ausgezahlt", sagte die New Yorker FBI-Chefin, Janice Fedarcyk. Nach Angaben der Ermittler geht es um zwei Geldtöpfe. Der Hardship Fonds sieht eine Einmalzahlung in Höhe von 3600 Dollar (etwa 2600 Euro) an Menschen vor, die während der Gewaltherrschaft Adolf Hitlers innerhalb der damaligen Sowjetunion vor den anrückenden Nazis geflohen waren.

Der sogenannte Artikel-2-Fonds unterstützt Holocaust-Überlebende, die weniger als 16.000 Dollar (etwa 11.500 Euro) im Jahr zur Verfügung haben, mit etwa 411 Dollar pro Monat. Bislang seien 4957 Fälle identifiziert worden, in denen betrügerische Anträge auf Hilfe aus dem Hardship Fonds gestellt worden seien, teilten die Ermittler weiter mit. Der Schaden betrage etwa 18 Millionen Dollar. In vermutlich 658 Fällen sei der Artikel-2-Fonds missbraucht und um insgesamt 24,5 Millionen Dollar betrogen worden.

Zwölf der Angeklagten wurden am Dienstag festgenommen, fünf weitere befinden sich bereits seit längerem in Gewahrsam. Nach Angaben der Behörden bekannten sich bereits vier Angeklagte schuldig. Den mutmaßlichen Betrügern drohen bis zu 20 Jahre Gefängnis.

© sueddeutsche.de/dpa/leja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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