Besuch in Berlin:Erpressung darf sich für Johnson nicht lohnen

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Der britische Premier Boris Johnson macht an diesem Mittwoch seinen Antrittsbesuch bei Kanzlerin Angela Merkel. (Archivbild) (Foto: dpa; Bearbeitung SZ)

Das Schreiben des britischen Premiers an Brüssel ist eine gezielte Provokation. Kanzlerin Merkel sollte ihn bei ihrem Treffen am Abend damit abblitzen lassen.

Kommentar von Björn Finke, London

Zunächst kommt Boris Johnsons Brief ganz freundlich daher: "Dear Donald", steht in krakeliger Handschrift darüber, und der britische Premier unterzeichnet genauso krakelig mit "Yours ever, Boris", für immer Dein Boris. Doch EU-Ratspräsident Donald Tusk hat die Vorschläge aus dem Schreiben am Dienstag brüsk zurückgewiesen. Denn Johnson forderte, ganz unfreundlich, bei neuen Verhandlungen über den Austrittsvertrag den Backstop für Irland zu streichen. Dabei machen EU-Vertreter seit Monaten immer wieder klar, dass sie diese Klausel nicht ändern werden.

Johnson weiß das natürlich, weswegen dieser Brief kein Verhandlungsangebot ist, sondern eine gezielte Provokation. Tusks Antwort ist daher richtig. Kanzlerin Angela Merkel sollte Johnson beim Treffen an diesem Mittwoch Ähnliches mit auf den Weg geben. Der Konservative wird mit diesen Reaktionen rechnen.

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Sein Schreiben dient vor allem dazu, eine Botschaft zu senden: Der neue Premier ist wirklich kompromisslos. Entweder er bekommt seinen Willen, oder es gibt keine neuen Verhandlungen und die Briten verlassen die EU Ende Oktober ohne gültigen Vertrag. Johnson hofft, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten ihm - anders als Vorgängerin Theresa May - abnehmen, das Land zur Not über die Klippe eines ungeregelten Brexit zu führen.

Johnson lässt sich da von der Verhandlungstaktik eines anderen blonden Populisten inspirieren: Donald Trump. Auch der US-Präsident pflegt seinen Ruf, unberechenbar und rücksichtslos zu sein. Das Kalkül lautet, dass Verhandlungspartner dann schon einknicken, weil sie Trump - und nun Johnson - im Prinzip alles zutrauen. Eine Eskalation scheint nur im Falle einer Einigung zu den Bedingungen des Populisten zu verhindern zu sein.

Daneben erfüllt der Brief einen zweiten Zweck: Er ist Wahlkampf-Munition. Johnson plant Neuwahlen, da er bloß eine Mini-Mehrheit im Parlament hat. Mit seiner Brachialrhetorik und einem Kabinett der Austrittsfanatiker will der Premier Wähler von Nigel Farages Brexit Party zurück zu den Konservativen lotsen.

Nachgeben verbietet sich für die EU

Die spannende Frage ist noch, ob die Wahlen vor dem Austrittstermin 31. Oktober stattfinden oder danach. Vor dem Austritt fällt der Kampf gegen die Brexit Party schwerer; bei einer Wahl nach einem ungeordneten Brexit könnten die Bürger Johnson für die üblen Folgen solch einer chaotischen Trennung abstrafen.

Der EU kann dieses Dilemma Johnsons eher egal sein. Wichtig ist, dass die Mitgliedstaaten weiter einig auftreten. Der Premier spekuliert darauf, dass die Drohung eines ungeregelten Brexit die geschlossene Front sprengt und einzelne Regierungen Brüssel zu Kompromissen drängen. Tatsächlich haben manche Staaten und Branchen mehr zu verlieren als andere, wenn Zölle erhoben werden und Kontrollen an den Häfen zu Chaos führen. Mit am meisten Sorgen muss sich die deutsche Exportindustrie machen.

Aber nachgeben verbietet sich, denn Erpressung darf sich nicht lohnen. Ansonsten würden Johnson und die Anhänger eines harten Brexit in seiner Partei bloß noch mehr Zugeständnisse verlangen. Und der andere blonde Populist würde sich an Johnson ein Beispiel nehmen: US-Präsident Trump streitet mit Brüssel über Zölle und Exporthemmnisse. Er würde seine Forderungen und Drohungen verschärfen und könnte auf ein baldiges Einknicken der Europäer hoffen.

© SZ vom 21.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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