Berlin und die Minderheitsregierung in NRW:Ein Glücksfall im Konjunktiv

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Die Minderheitsregierung in Düsseldorf könnte der Koalition in Berlin auf die Sprünge helfen. Aber es bleibt fraglich, ob Kanzlerin Merkel die Chance ergreift, auf Rot-Grün zuzugehen.

Nico Fried

Der Verlust eines CDU-Ministerpräsidenten in Düsseldorf trifft die Bundesregierung von Angela Merkel hart, aber auch nicht "aufs härteste", wie es die Kanzlerin jüngst beim Verlust des Bundespräsidenten formulierte. Das Regieren ihrer schwarz-gelben Koalition scheitert ja bislang nicht an den Ländern, sondern an der Berliner Koalition selbst. Schön wär's, wenn der Bundesrat sich endlich mal mit einem politischen Vorhaben von Bedeutung beschäftigen könnte, das ihm von der Bundesregierung vorgelegt wird. Aber Merkels Koalition hat, von Rettungspaketen abgesehen, etwas wirklich Wichtiges in acht Monaten nicht hinbekommen.

Vom Bündis Kraft-Löhrmann in Düsseldorf könnte die schwarz-gelbe Regierungskoalition profitieren. (Foto: ap)

Für diese Koalition, deren Politik zwischen Merkel, Guido Westerwelle und Horst Seehofer abgesoffen ist wie ein Flugzeug im Bermuda-Dreieck, hat die Bildung einer rot-grünen Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen sogar einen positiven Aspekt: Die Umstände der Entscheidung von Hannelore Kraft haben gezeigt, dass der eigentliche Düsseldorfer Regierungschef in Fragen von bundespolitischer Bedeutung Sigmar Gabriel heißen wird. Der SPD-Chef hat Kraft in die Minderheitsregierung gedrängt, er wird ihr auch weiter mit gut gemeinten Ratschlägen zu Seite stehen, von denen vor allem er sich Nutzen verspricht.

Ein Feindbild für die Koalition

Ein klares Feindbild könnte Union und FDP in Berlin einander näher bringen, was ein Glücksfall für die Koalition wäre. Sie könnte sich auf gemeinsame Positionen verständigen, ehe sie in die Verhandlungen mit den SPD-Ländern eintritt. Gerhard Schröder war nicht ungeschickt darin, mit Warnungen vor der schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat die eigenen Leute auf Kompromisse zu verpflichten, zeitweise bei nur vier Stimmen Mehrheit im Bundestag. Weil in Merkels schwarz-gelber Truppe bislang Dissens die Normalität und Gemeinsamkeit die Besonderheit ist, muss man aber skeptisch bleiben, dass die Kanzlerin ähnliche Qualitäten entwickelt.

Merkels Regierung hat nun zwei Möglichkeiten: Entweder sie zetert weiter gegen die informelle rot-grün-rote Koalition in Düsseldorf und macht Politik nach der Maßgabe, dass möglichst wenige Beschlüsse der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Dann wird sie kaum glaubhaft vermitteln, das Beste fürs Land zu wollen. Der Ruf der Regierung und der sie tragenden Figuren ist zu schlecht, als dass die Bürger solche Ablenkungsmanöver nicht durchschauten.

Die andere Möglichkeit besteht darin, dass die Koalition vernünftige Politik macht, dafür wirbt und versucht, mit Rot-Grün Kompromisse zu finden. Nur so kann sie auch die SPD in Verlegenheit bringen, die allen positiven Umfragewerten zum Trotz ihren parteiinternen Konflikt längst nicht gelöst hat zwischen Politikern, die zur Verantwortung bereit sind, und Genossen, die lieber verantwortungslose Opposition machen wollen. Die Koalition hätte also neues Potential. Aber bei einer Koalition wie dieser gilt eben immer nur der Konjunktiv.

© SZ vom 19.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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