Asylbewerber:Der Landrat, den die Polizei wegbrachte

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Seit 2020 der Landrat von Miesbach: Olaf von Löwis of Menar (69, CSU). (Foto: Manfred Neubauer)

Der Miesbacher Behördenchef Olaf von Löwis of Menar (CSU) muss in einer Gemeinde eine große Flüchtlingsunterkunft bauen und wird deshalb bedroht. Dabei hat er wohl kaum eine Alternative.

Von Matthias Köpf

Wenn die große Politik mal auf dem Land vorbeikommt, dann schmeicheln die Gäste aus Berlin oder München dem jeweiligen Landrat gern als dem kleinen König seines Kreises. Jemand wie Olaf von Löwis of Menar im Landkreis Miesbach mag nicht den Unterhaltungswert manches Königshauses haben, aber als eine Art Royal konnte der 69-jährige CSU-Politiker unter allen 71 Landräten in Bayern bisher schon durchgehen. Spätestens am Montag aber wurde klar, dass Löwis derzeit nicht mit Schmeicheleien rechnen kann: In der 3900-Einwohner-Gemeinde Warngau, wo er eine Container-Unterkunft für 500 Geflüchtete einrichten will, sah sich der Miesbacher Landrat bei einer Bürgerversammlung dem Zorn jener ausgesetzt, die ihm entgegenschrien, sie seien "das Volk". Am Ende eskortierte ihn die Polizei aus dem Saal und fuhr ihn im Streifenwagen aus dem Ort.

Das Volk in Bayerns Kreisen wählt seine Landräte direkt, doch echte Unabhängigkeit verleiht das den Landräten nur bedingt. Denn sie sind sowohl Leiter einer sogenannten kommunalen Selbstverwaltungsbehörde als auch Leiter einer staatlichen Behörde - und zwar der untersten. Die Befehlskette reicht von Staatskanzlei und Innenministerium über die Bezirksregierungen bis zu ihnen hinab. Sie müssen Beschlüsse zur Wirklichkeit werden lassen, was noch nie allen gefallen hat. Unglaube, Provokationen, Hohn und Häme, wie sie Olaf von Löwis nun in Warngau entgegenschlugen, waren Bayerns Landräte bisher aber nicht gewohnt, und auch die massive Polizeipräsenz rund um die Bürgerversammlung hätte früher auf Gäste aus Berlin oder München hingedeutet.

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Die gewählten Staatsbeamten müssen Unterkünfte schaffen für Geflüchtete und machen sich so bei manchen Bürgern unbeliebt. Alle zwei Wochen schicke die Regierung einen Bus mit neuen Flüchtlingen in den Landkreis, heißt es gerade überall in Oberbayern. Einmal hat Olaf von Löwis nach eigenen Worten so einen Bus, aus dem die Leute ohnehin nicht aussteigen wollten, nach München zurückgeschickt. Es hat nicht lang gedauert, bis er wieder in Miesbach vorgefahren ist.

Doch die Flüchtlinge nach Quoten durchzureichen, wie es der Bund mit den Ländern, der Freistaat mit den Bezirksregierungen und diese mit den Landkreisen machen, diese Möglichkeit gibt es für die Landräte in Bayern bisher nicht. Die einzelnen Gemeinden sind nur vage zur Mitwirkung verpflichtet. Ein Landrat kann sie zu nichts zwingen, was sich das kleine Greiling im Nachbarlandkreis Bad Tölz-Wolfratshausen neulich vom Verwaltungsgericht bestätigen ließ. In vertraulichen Runden fordern längst immer mehr Landräte von ihrer Staatsregierung eine gesetzliche Handhabe, um widerstrebende Gemeinden zu mehr Solidarität zu bewegen. Olaf von Löwis wünscht sich inzwischen öffentlich solche Instrumente.

Im Landkreis Miesbach gibt es kein Messegelände und keine leeren Kasernen für die ankommenden Flüchtlinge

Denn im Landkreis Miesbach gibt es kein Messegelände und keine leeren Kasernen, die sich belegen ließen, und auch in all den Zweitwohnungen und Drittvillen am Tegernsee möchte kaum jemand die Rollläden hochziehen und Flüchtlinge einziehen lassen. Die Eigentümer manch maroden Hotels und manch leerer Pension vermuten, dass sie beim Staat gerade einiges herausschlagen können, die Verhandlungen ziehen sich hin. Um endlich drei Turnhallen in Miesbach und Tegernsee wieder freizubekommen, fällt dem Miesbacher Landrat gerade auch nichts anderes ein, als mitten im Nichts auf dem letzten kreiseigenen Grundstück neben dem Wertstoffzentrum übergangsweise eine Containeranlage für 500 Menschen zu bauen, was er selbst nicht für eine gute Idee hält.

Gleich mit seiner Wahl 2020 hat Olaf von Löwis, eigentlich Forstwirt, den Miesbachern schon die Corona-Maßnahmen zumuten müssen, was ihm in Warngau gerade auch wieder vorgehalten wurde. Vor einem Jahr liebäugelte er damit, 2026 noch einmal anzutreten, weil nun hoffentlich die schöneren Zeiten des Landratslebens begännen. Das hofft er immer noch. Seine Entscheidung will er Ende des Jahres verkünden.

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