Zerstrittene Partei:Linken-Fraktionschef Bartsch gibt sein Amt ab

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Dietmar Bartsch will nicht mehr als Fraktionsvorsitzender der Linken kandidieren. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Bei der Vorstandswahl im September wolle er nicht mehr kandidieren, so der Politiker. Vergangene Woche hatte bereits die Co-Vorsitzende Mohamed Ali ihren Rückzug erklärt.

Linksfraktions-Chef Dietmar Bartsch gibt sein Amt ab. Er werde bei der Vorstandswahl am 4. September nicht erneut kandidieren, heißt es in einem Schreiben, das Bartsch an die Bundestagsfraktion geschickt hat. Den Entschluss habe er vor langer Zeit gefasst, schreibt er. Gegen 14 Uhr will sich Bartsch in einem Statement äußern.

Die beiden Linken-Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan äußern Bedauern über den Rückzug. Bartsch sei eines der bekanntesten Gesichter der Linken und eine "laute Stimme für soziale Gerechtigkeit und gegen Kinderarmut", schreibt das Führungsduo. Für die Partei habe er in schwierigen Situationen Verantwortung übernommen.

Erst vergangene Woche hatte Bartschs Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali ihren Rückzug angekündigt. Damit muss die Fraktionsspitze der Linken nun komplett neu besetzt werden.

Hintergrund für Mohamed Alis Rückzug ist der Richtungsstreit in der Partei um die Abgeordnete Sahra Wagenknecht. Wagenknecht trägt die politische Linie der Bundesvorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan nicht mit und will bis zum Jahresende entscheiden, ob sie eine eigene Partei gründet. Falls es dazu kommt, droht der Linken und ihrer Bundestagsfraktion die Spaltung. Es wird erwartet, dass dann mehrere der 39 Abgeordneten die Linke zusammen mit Wagenknecht verlassen würden. Mit weniger als 37 Mandaten würde der Fraktionsstatus verloren gehen und damit Geld, Posten und Einfluss der kleinen Oppositionspartei.

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Bartsch begründete seinen geplanten Rückzug aber nicht mit der aktuellen Krise, sondern schrieb an die Abgeordneten: "Meine Entscheidung, den Fraktionsvorsitz nach acht Jahren abzugeben, in denen ich die Fraktion zunächst mit Sahra Wagenknecht, dann mit Amira Mohamed Ali geleitet habe, ist lange vor der letzten Bundestagswahl gefallen. Meine Familie und engste politische Freunde kannten diese Entscheidung."

Bartsch ist seit 2015 Co-Vorsitzender der Linken-Bundestagsfraktion. Wer auf Bartsch und Mohamed Ali nachfolgen könnte, ist offen. Mit Bartsch zieht sich einer der prominentesten Linken aus der ersten Reihe zurück. Der 65-Jährige stammt aus Mecklenburg-Vorpommern und bekleidet seit Jahrzehnten hohe Parteiämter. Lange war er Bundesgeschäftsführer der Vorgängerpartei PDS und der 2007 neu gegründeten Linken. 2009 managte er den Bundestagswahlkampf. 2012 kandidierte er als Parteichef, verfehlte aber die nötige Mehrheit. 2017 war Bartsch neben Wagenknecht Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, 2021 trat er mit Parteichefin Wissler an.

In seinem Schreiben an die Abgeordneten appellierte er an seine Partei: "Viele schwadronieren aktuell wieder über das Ende der Linken. Sie werden sich ein weiteres Mal irren, wenn die Werte, um die wir in der Gesellschaft kämpfen wie Menschlichkeit, Solidarität, Herzlichkeit und viel Lächeln wieder unser Handeln bestimmen und wir zugleich aus der Geschichte linker Parteien die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen." Bartsch hat immer wieder vor Gefahren einer Spaltung der Linken gewarnt und Wagenknechts Liebäugeln mit einer Parteigründung kritisiert. Als Wissler und Schirdewan sich im Juni gemeinsam mit dem übrigen Parteivorstand von Wagenknecht lossagten, ließ Bartsch Unterstützung für die Parteispitze erkennen.

Insgesamt dreht sich der Streit in der Linken nicht nur um die Person Wagenknecht, sondern um die Frage, was moderne "linke" Politik ist. Die Parteispitze umwirbt die Klimabewegung und will radikalen Klimaschutz verbunden mit sozialem Ausgleich. Wagenknecht und ihre Unterstützer warnen vor zu großen Belastungen durch Klimaschutz. Sie wollen Migration begrenzen und trotz des Ukraine-Kriegs weiter billige Energieimporte aus Russland. Auf dem jüngsten Bundesparteitag der Linken 2022 konnten Wagenknechts Anhänger sich nicht durchsetzen. Wissler und Schirdewan sicherten sich hingegen die Unterstützung einer Mehrheit der Delegierten.

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