Außenpolitik der USA:Obama, der kalte Realist

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Den Nobelpreis bekommt er für die "Stärkung der internationalen Diplomatie". Doch die Weltsicht des Präsidenten zeigt sich am pragmatischen Kurs gegenüber Sudans Killer-Regime.

Christian Wernicke

Es gab eine Zeit, da betrachtete Barack Obama den Sudan schlicht und einfach als Hölle. Die Ermordung von 300.000 Menschen in Darfur, die systematische Vertreibung von 2,7 Millionen - all das geißelte der Demokrat noch vor einem Jahr. Er werde, so versprach der Aspirant auf das mächtigste Amt der Welt im Wahlkampf, eine internationale Schutztruppe in Marsch setzen und das Regime in Khartum mit verschärften Sanktionen unter Druck setzen.

Nun, nach neun Monaten im Amt, deutet der 44. Präsident die Welt anders: Washington will, bedingt zumindest, einen Dialog mit Sudans Regierung versuchen. Und Diktator Omar al-Baschir, bislang als Teufel geächtet, darf fortan auf etwas amerikanischen Respekt hoffen.

Amerikas neue Sudan-Strategie, am Montag mit einem Geleitwort vom Präsidenten vorgestellt, bedeutet in der Tat einen Wandel - nicht nur gemessen an den Versprechungen, die der Prophet von Change and Hope abgab, sondern auch gemessen an der oft säbelrasselnden Rhetorik der Bush-Regierung.

Veränderter Ansatz

Nun versucht Amerika es anders. Im Stile sehr klassischer Diplomatie offeriert Washington sehr viel Zuckerbrot (vor allem gelockerte Sanktionen) und ein wenig Peitsche (weitere Isolation), um die Zustände in der Hölle Afrikas ein wenig zu mildern. Von einer Erlösung per humanitärer Intervention, wie dies einst Obamas außenpolitische Berater erwogen, findet sich kein Wort mehr.

Sudan ist nur ein Stein im außenpolitischen Mosaik Obamas. Sehr ähnlich hat Außenministerin Hillary Clinton im September bereits den Kurs gegenüber der Militärjunta in Birma korrigiert. Auch gegenüber den südostasiatischen Dschungel-Generälen brach die neue Regierung mit der (erfolglosen) Politik, ein widerwärtiges Regime per internationaler Ächtung zu Respekt für Freiheit und Menschenrechte zu nötigen. Ab sofort praktiziert die Supermacht eine Politik des kritischen Dialogs und der vorsichtigen Einbindung. Die Zeit großspuriger Verheißungen à la George W. Bush, der noch 2005 allen Tyrannen der Welt mit Entmachtung drohte, sind vorbei.

Ausgerechnet Barack Obama, mit dem Friedensnobelpreis geadelt, lässt sich von kühlem Kalkül leiten. Linke wie rechte Gutmenschen aus aller Welt mögen den außenpolitischen Realismus als Verrat an den Idealen von Menschenrechten und Demokratie zeihen (und neokonservative Denker, die Amerika in den Irak führten, tun nun genau dies).

Nur: Die scheinbare Nachgiebigkeit gegenüber Schurkenstaaten entspringt nicht nur der eiskalten Erkenntnis, dass Amerikas höchste Sicherheitsinteressen weder in Darfur noch in Birma bedroht sind. Nein, dieser Kurs passt zur gemäßigten Politik gegenüber dem Regime in Iran oder den Steinzeit-Kommunisten in Nordkorea.

Nicht nur schwarz-weiß

Die Regierung Obama malt die Welt also nicht schwarz-weiß, sondern sieht die Grautöne. Und sie sucht das Gespräch nicht nur mit Alliierten, sondern eben auch mit Gegnern. Im Falle Sudans legt sie ihre Motive sogar offen: Washington wünscht ein Ende des Völkermords in Darfur. Und die Weltmacht pocht darauf, dass Khartum das zerbrechliche Friedensabkommen mit dem Süden des Landes einhält, samt eines für 2011 geplanten Referendums über die mögliche Unabhängigkeit der rohstoffreichen Region.

Aber gesagt wird auch, was die USA wirklich wollen von Diktator al-Baschir: Der Finsterling soll gefälligst verhindern, dass das Terrornetzwerk al-Qaida - wie einst in den 90er Jahren - in der Wüste Unterschlupf findet. Zudem solle der Sudan nun einen Beitrag zum Nahostfrieden leisten und die geduldeten Hamas-Kämpfer aus dem Land werfen.

Das sind kleine, kalte Ziele - keine Visionen, die die Welt erwärmen. Aber sie lohnen den Dialog selbst mit Teufeln. Obama, der Weltheld, kann es sich leisten, ab und an ein wenig nach Schwefel zu stinken.

© SZ vom 20.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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