Migrationsdebatte:EU-Asyltreffen: Deutschland akzeptiert, Italien stellt Nachforderung

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit Eric Van der Burg, Staatssekretär im niederländischen Justizministerium, am Donnerstag in Brüssel. (Foto: JOHN THYS/AFP)

Nachdem Bundesminister der Grünen bis zuletzt Bedenken geäußert hatten, stimmt Berlin der umstrittenen Asyl-Krisenverordnung zu. Aus Rom kommt das Anliegen, beim Thema private Seenotrettung nachzuschärfen.

Trotz anhaltender Bedenken will Deutschland der umstrittenen Krisenverordnung als Teil der geplanten EU-Asylreform zustimmen. "Obwohl wir noch weiteren Änderungsbedarf hätten ... werden wir heute unserer Verantwortung gerecht", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag in Brüssel beim EU-Innenministertreffen. Deswegen werde man dem Kompromiss zustimmen.

Bis Donnerstagnachmittag gab es allerdings noch keine offizielle Einigung. Die nötige qualifizierte Mehrheit (55 Prozent der Staaten, 65 Prozent der EU-Bevölkerung) schien sicher zu sein, doch stellte die italienische Regierung ihrerseits Nachforderungen, die darauf zielten, in Krisen private Seenotretter an ihrer Arbeit zu hindern. Was die Ministerrunde in Brüssel vereinbaren wollte, würde nicht automatisch Gesetz. Verhandelt wurde, wie das die EU-Regularien vorsehen, erst die Position der Mitgliedsländer zu dem von der Kommission vorgelegten Entwurf. Dennoch gälte der Beschluss als Durchbruch.

Die Krisenverordnung ist ein zentrales Element der geplanten EU-Asylreform, mit der unter anderem unerwünschte Migration begrenzt werden soll. So soll etwa bei einem besonders starken Anstieg der Migration der Zeitraum verlängert werden können, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können. Zudem könnte der Kreis der Menschen vergrößert werden, der für die geplanten strengen Grenzverfahren infrage kommt.

Sorge vor sinkenden Schutzstandards für Migranten

In Brüssel hatte die Bundesregierung ihre Ablehnung des Vorschlags für die Verordnung bislang damit erklärt, dass dieses Regelwerk EU-Staaten ermöglichen könnte, Schutzstandards für Migranten inakzeptabel zu senken. In Deutschland äußerten Außenministerin Annalena Baerbock und andere Politiker der Grünen zuletzt zudem überraschend die Befürchtung, dass die Krisenregeln "Anreize für eine Weiterleitung großer Zahlen unregistrierter Flüchtlinge nach Deutschland" setzen könnten.

Im Rat der EU-Mitgliedstaaten in Brüssel wurde vermutet, dass diese Argumentation mit den bevorstehenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern in Verbindung stehen könnte, weil diese Linie in den EU-Verhandlungen bis dato keine Rolle spielte. Den Plänen für die Asylreform zufolge müssten die Mitgliedstaaten auch bei einem starken Anstieg der Migration alle ankommenden Menschen registrieren. Eine mögliche Verlängerung von Fristen dafür wäre zudem nur nach vorheriger Zustimmung des Rates der Mitgliedstaaten möglich.

Das Gleiche gilt auch für die Aufweichung von Schutzstandards. Es blieben demnach auch in einer Krisensituation noch etliche Kontrollmöglichkeiten, um Missbrauch zu verhindern. Am Mittwoch hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach Angaben aus Regierungskreisen im Kabinett den Kurs ausgegeben, dass die Krisenverordnung nicht länger blockiert werden dürfe.

Die Zeit drängt angesichts der Europawahl im kommenden Jahr

Sobald der Streit über die Krisenverordnung beigelegt ist, können voraussichtlich auch die für die Reform wichtigen Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament fortgesetzt werden. Denn das Parlament hatte zuletzt angekündigt, Teile der Gespräche zu blockieren, bis sich die EU-Staaten bei dem Thema Krisenverordnung positioniert haben.

Dabei drängt die Zeit angesichts der baldigen Europawahl im Juni 2024. Projekte, die bis dahin nicht mit den Regierungen der Mitgliedstaaten ausgehandelt sind, könnten anschließend wieder infrage gestellt werden und sich lange verzögern. Im Fall der geplanten Reform des Asylsystems wäre dies ein besonders großer Rückschlag. An dem Projekt wird bereits seit Jahren gearbeitet. Vor allem rechte Parteien wie die AfD werfen der EU seit langem Versagen im Kampf gegen illegale Migration vor.

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