Arbeitskampf:Platzwarte streiken: Keine „Menschen zweiter Klasse“

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Plakate und Transparente hängen bei einem Warnstreik der Sportplatzwarte am Zaun an einem Sportplatz in Hamburg. (Foto: Bodo Marks/dpa)

Nach der ergebnislosen zweiten Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Länder sind in Hamburg bundesweit die ersten Beschäftigten in einen Warnstreik getreten. Sportplatzwarte legen den Amateur-Fußball in Teilen lahm. Doch das scheint erst der Anfang zu sein.

Von Markus Klemm (Text) und Bodo Marks (Video und Foto), dpa

Hamburg (dpa/lno) - Das regt ihn wirklich auf. Dass Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) als Vorsitzender der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) klammen Beschäftigten im öffentlichen Dienst empfohlen hat, als Ausgleich einfach Wohngeld zu beantragen, macht Holger Schmidt extrem wütend. „Das ist eine Frechheit, einfach eine Frechheit. (...) Wir sind doch nicht Menschen zweiter Klasse.“

Schmidt ist Platzwart im Dienst der Stadt Hamburg an der Sportanlage Vogt-Kölln-Straße im Stadtteil Stellingen und kümmert sich dort normalerweise um den reibungslosen Spielbetrieb. Normalerweise. An diesem Samstag steht er mit gelber Weste im Stadtteil Niendorf auf der Sportanlage des dortigen Turn- und Sportvereins. Er ist mit Kollegen aus der ganzen Stadt in einen zweitägigen Warnstreik getreten - der bundesweit erste nach der am Freitag ergebnislos verlaufenen zweiten Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Länder.

Fast etwas schüchtern stehen die Platzwarte zunächst noch auf der Anlage herum, müssen erst in typischer St. Pauli-Manier zusammengerufen werden. „Kommen Sie ran, kommen Sie ran. Hier werden Sie genauso beschissen wie nebenan“, tönt es aus den Boxen. Es ist aber auch etwas Besonderes für die Beschäftigten. Denn „erstmalig in der Geschichte der Freien und Hansestadt Hamburg streiken die staatlichen Sportplatzwarte“, sagt der Platzwart der Sportanlage Hammer Park, Detlev Meyer. Er ist auch Mitglied der Tarifkommission der Sportplatzwarte.

Sein Kollege vom Sternschanzenpark, Burak Solat, sagt, seine Arbeitszeit betrage 50 Stunden pro Woche. „Wochenende, Feiertage, wir sind immer da.“ Dafür sei der Lohn viel zu niedrig. Meyer weist zudem auch auf doch reichlich merkwürdige Arbeitsverträge aus den 60er Jahren hin, die zu seinem Arbeitsbeginn 1999 gültig waren und noch heute verwendet würden. „Ich habe eine mitarbeitende Ehefrau. Dafür habe ich unterschrieben und das Geld bekomme auch ich und nicht meine Frau.“ Gleiches gelte für die Rentenpunkte. „Skurril, aber so ist es“, sagt Meyer.

Er geht davon aus, dass etwa 50 bis 60 Prozent der Sportanlagen und mehr als 200 Fußballspiele von dem Warnstreik betroffen sind. Meyer, an seiner knallroten Wollmütze gut unter den Streikenden zu erkennen, räumt aber ein, dass ein einzelner Streiktag den Arbeitgeber wohl nicht sonderlich beeindrucken werde. Doch es gebe noch Steigerungsmöglichkeiten, warnt er: „Wahrscheinlich muss es erst richtig wehtun und vielleicht auch die Terminierung der Europameisterschaft 2024 gefährdet sein.“ Die Platzwarte seien auf jeden Fall darauf eingestellt.

Der Hamburger Fußball-Verband (HFV) zeigt sich trotz der zahlreichen drohenden Spielabsagen im Hamburger Amateurfußball gelassen. „Wir wollen uns am Montag in Ruhe ein Bild von der Lage machen“, sagt HFV-Präsident Christian Okun. Es seien nur städtische Sportplätze betroffen. Es gebe auch viele Plätze, die von den Vereinen verwaltet würden, erklärt Okun. Zuvor hatte der HFV in einer Mitteilung erklärt, dass im Rahmenterminkalender ausreichend Nachholspieltage vorhanden seien.

Der Warnstreik der Sportplatzwarte ist der Beginn einer ganzen Welle von Arbeitsniederlegungen im öffentlichen Dienst der Länder. Die Gewerkschaften fordern für die Beschäftigten bei einer Tariflaufzeit von zwölf Monaten 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 500 Euro mehr. Für die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen verlangen die Gewerkschaften zudem eine monatliche Zulage von 300 Euro. Die Forderungen knüpfen damit an den Tarifabschluss vom April dieses Jahres für den Bund und die Kommunen an.

Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder unter dem Vorsitz des Hamburger Finanzsenators Dressel hat bereits deutlich gemacht, dass sie die Forderungen für viel zu hoch hält. „20,7 Milliarden Euro Volumen der Forderungen ist nicht leistbar“, sagt Dressel. Die dritte Verhandlungsrunde ist für den 7. Dezember vereinbart.

Dass die Gewerkschaften nicht klein beigeben wollen, zeigen sie am Samstag noch während des laufenden Warnstreiks der Sportplatzwarte. Während Schmidt, Meyer und Solat mit Kollegen noch Sportanlagen lahmlegen, kündigt Verdi für Dienstag den nächsten Warnstreik an - und der dürfte deutlich massiver ausfallen. Denn dann sind die Beschäftigten der Landesbetriebe, der Fachbehörden, der Schulen, der Bezirksämter, der Jobcenter und der Feuerwehr aufgerufen, die Arbeit niederzulegen.

© dpa-infocom, dpa:231103-99-814823/4

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