Antisemitismus-Urteil:Dr. jur. absurd

Angeblich im Interesse der Meinungsfreiheit fällen die Karlsruher Richter ein hanebüchenes Urteil: 65 Jahre nach dem Holocaust darf wieder geschrieben werden, dass die Juden selbst schuld sind an ihrer Verfolgung.

Heribert Prantl

Jeder darf meinen, was er will, gleich gar ein Ordinarius der Politikwissenschaft. Ein sehr rechts angesiedelter alter Professor darf also auch die abstruse These vertreten, dass erst die Weimarer Republik den Antisemitismus in Deutschland hervorgebracht habe. Er darf sogar suggerieren, dass man ihn für gerechtfertigt halte dürfe, weil Juden ja damals die kommunistischen Revolutionen in Bayern, Russland und Ungarn angezettelt hätten.

Für solche Äußerungen ist zwar vor ein paar Jahren der Abgeordnete Hohmann auf Betreiben von Angela Merkel aus der CDU-Fraktion ausgeschlossen worden. Aber strafbar ist so eine Meinung nicht, sie ist nur falsch und dumm.

Nun aber beginnt die Absurdität: Das Bundesverfassungsgericht hat dem Professor mit den revisionistischen Thesen quasi den Anspruch gegeben, im Deutschland Archiv der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlicht zu werden, im angeblichen Interesse der Meinungsfreiheit. Das ist hanebüchen. Wäre Sarrazin noch nicht aus der Bundesbank entlassen, er könnte sich nun auf diese Entscheidung berufen.

Also: Eine Einrichtung, die in staatlicher Verantwortung das demokratische Bewusstsein fördern soll, wird von den Verfassungsrichtern dafür gerügt, dass sie einen Aufsatz, der von einer "deutsch-jüdischen Symbiose unter dem Hakenkreuz" faselt und versehentlich gedruckt worden war, wieder eingestampft hat. Man dürfe, so die Richter, den Autor nicht stigmatisieren.

Es soll also, 65 Jahre nach dem Holocaust und von Staatsgeld finanziert, wieder geschrieben werden, dass die Juden selbst schuld sind an ihrer Verfolgung. Die drei Bundesverfassungsrichter, die diese Entscheidung gefällt haben, bedürfen der politischen Bildung.

© SZ vom 29.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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