Anschlag in Indonesien:Warum Indonesien mit einem Terroranschlag rechnen musste

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Indonesische Polizisten und Spezialeinheiten lieferten sich Schusswechsel mit den Angreifern. (Foto: REUTERS)

Der Islamische Staat bekennt sich zu den Explosionen in Jakarta. Experten warnen schon länger, dass die Terrormiliz einen Brückenkopf in Südostasien errichten will.

Von Arne Perras, Jakarta

Rauch steigt auf im Herzen der Millionenmetropole Jakarta. Begonnen hatte der Tag in der Straße so geschäftig wie jeder andere, doch dann erschüttern am Vormittag mehrere Explosionen das kommerzielle Zentrum Jakartas. Menschen rennen panisch über die Straßen nahe einem Café der Kette Starbucks, es kommt zu anhaltenden Schusswechseln.

Indonesiens Präsident Joko Widodo erklärt kurze Zeit später: "Unsere Nation und unser Volk soll sich nicht fürchten, wir werden von diesen Akten des Terrors nicht besiegt." Er schickt Elitetruppen los, um die Angreifer zu jagen, deren Identität zu diesem Zeitpunkt noch niemand kennt. Der Präsident ruft zur Entschlossenheit auf. Doch auf der Straße herrscht Panik.

Die Rede ist von Selbstmordattentätern. Bereits sieben Tote werden gemeldet, darunter soll sich ein ausländischer UN-Mitarbeiter befinden. Die Büros der Vereinten Nationen liegen ganz in der Nähe. Panzer fahren vor dem Einkaufszentrum auf.

Inzwischen hat sich die Terrormiliz "Islamischer Staat" zu dem Anschlag bekannt. Das kommt für viele nicht überraschend. Es ist nicht das erste Mal, dass Indonesien von einem islamistischen Anschlag heimgesucht wird. Al-Qaida-nahe Terroristen steckten hinter den Anschlägen in Bali 2002. Mit einem neuen islamistischen Anschlag in der Region wurde in letzter Zeit verstärkt gerechnet. Die Behörden warnten, dass das nur eine Frage der Zeit sein dürfte.

Indonesien
:Explosionen, Schüsse und Angst in Jakarta

Mindestens sieben Tote und einige Verletzte: Ein Anschlag trifft die indonesische Millionenmetropole.

Die Regierungen Indonesiens und Malaysias - zwei große Staaten mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung - wissen, dass ihre Länder erhebliches Rekrutierungspotenzial für Extremisten vom Schlage des IS bieten, auch wenn moderate und tolerante Ausprägungen des Islam dort viel verbreiteter sind als etwa in der arabischen Welt.

Zahlreiche IS-Anhänger kehren zurück

Durchgesickerte Polizeipapiere aus Malaysia enthielten Ende 2015 die Einschätzung, dass der IS derzeit versuche, Selbstmordattentäter aus dem Nahen Osten verstärkt nach Kuala Lumpur und nach Sabah im malaysischen Teil der Insel Borneo einzuschleusen. Sicherheitskräfte verhafteten Dutzende IS-Verdächtige, die Anschläge planten. Einige von ihnen wollten Nachtclubs und eine Brauerei in die Luft sprengen. Auch Indonesien geht hart gegen extremistische Zellen vor. Den Anschlag im Herzen der Hauptstadt konnte es trotzdem nicht verhindern.

Zahlreiche Anhänger des IS kehren inzwischen aus den Kampfgebieten im Nahen Osten nach Südostasien zurück. Sie werden, wenn man sie denn als IS-Mitglieder identifizieren kann, meistens eingesperrt, vor allem in Malaysia. Das allerdings ist keine ausreichende Antwort, wie mehrere Experten betonten.

Von den geschätzten 500 Indonesiern, die den IS im Nahen Osten verstärken sollten, wurden etwa 200 zurückgeschickt. Fast zwei Drittel davon sind, wie die Terrorexpertin Sidney Jones in der singapurischen Zeitung Straits Times erklärte, Frauen und Kinder. IS-Sympathisanten, die aus Südostasien nach Syrien oder in den Irak auswandern, tun dies häufig in Begleitung ihrer Familien. Es ist schwierig, die richtige Strategie im Umgang mit diesen Gruppen zu finden.

Schreckt man sie brutal ab, suchen sie nach Rückzugsräumen und tauchen unter. Zum Beispiel im Süden der Philippinen. Dort hat sich Abu Sayyaf festgesetzt, eine islamistische Untergrundorganisation, die Banditentum mit Terror vereint. Sie setzt auf Entführungen und das Erpressen von Lösegeld.

Analysten werten derzeit Hinweise aus, die nahelegen, dass der IS in Südostasien bald eine eigene Provinz ausrufen könnte, als östliche Außenstelle des Kalifats. Angeblich spielt dabei eine kleine, aber bedeutende Splittergruppe der islamistischen Untergrundorganisation Abu Sayyaf auf den Philippinen eine Schlüsselrolle. Ihr Anführer heißt Isnilon Hapilon. Die USA haben auf ihn ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar ausgesetzt.

In einem Video, das Anfang des Jahres im Netz erschien, verkündeten jetzt vier Milizenführer der Region ihren Zusammenschluss und schworen dem IS-Führer Abu Bakr al-Bagdhadi Gefolgschaft.

Philippinische Armee: "Kriminelle mit IS-Masken"

"Der IS ist entschlossen, zumindest eine Provinz in Asien im Jahr 2016 auszurufen", warnt Rohan Gunaratna, Sicherheitsexperte der Rajaratnam School of International Studies (RSIS) in Singapur in einer soeben veröffentlichten Analyse. Gelingt es dem IS, einen Brückenkopf auf den Philippinen aufzubauen, könnte er dazu dienen, neue Terrorangriffe in Malaysia und Indonesien vorzubereiten und auszuführen.

Die philippinische Armee hält einen Zusammenschluss von Abu Sayyaf und IS allerdings für unglaubwürdig. Bei der philippinischen Terrororganisation handle es sich um "Kriminelle, die sich hinter IS-Masken verbergen, um ihre Prominenz zu steigern und höhere Lösegelder zu erpressen", sagte ein Militärsprecher. Der Anschlag in Jakarta dürfte die Zweifel an dieser Version verstärken.

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