Gerade noch hatte die Verteidigung des Angeklagten Ralf Wohlleben Oberwasser - die Anwälte des Jenaer Rechtsradikalen hatten die Richter im NSU-Prozess bei einem Kunstfehler ertappt: Die hatten in einem Beschluss von "Straftaten" gesprochen und nicht von "angeklagten Straftaten". Wohlleben fand, die Richter hätten sich ihre Meinung über ihn schon gebildet. Sie seien nicht mehr unbefangen. Schon hagelte es wieder einmal einen Befangenheitsantrag. Zehn solcher Anträge hat das Gericht bisher überstanden, am Mittwoch schließlich auch den der Verteidigung Wohlleben.
Dann aber drehten sich die Verhältnisse um. Das Gericht verteilte einen Beschluss über den Antrag des Angeklagten Wohlleben, seine Haft auszusetzen. Und der war von kaum zu überbietender Klarheit. Offensichtlich hat sich das Gericht doch schon einen Teil seiner Meinung zum Angeklagten gebildet. Über den Mann, der angeklagt ist, die Tatwaffe für neun der zehn NSU-Morde besorgt und bezahlt zu haben.
Wohlleben hatte erklärt, er habe keine Waffe besorgen wollen und auch nicht gewollt, dass andere es tun. Und als der Mitangeklagte Carsten S., ein jugendlicher Kamerad aus der rechten Szene, ihm die Waffe gezeigt habe, habe er ihn auch nicht beauftragt, sie zu Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zu bringen.
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Glauben schenkt das Gericht einem anderen Angeklagten
Wohlleben hatte im Dezember und Januar über Stunden geredet und sich viel Mühe gegeben, seine Rolle bei der Waffenbeschaffung als gering darzustellen. Allein - das Gericht glaubt ihm nicht. Seine Angaben seien "bei vorläufiger Bewertung" zum Kern des Vorwurfs "unglaubhaft", schreibt das Gericht in seinem Beschluss. Es zählt einige Punkte auf, in denen sich Wohlleben widersprochen habe. So habe er die Tatwaffe relativ genau beschrieben, aber gleichzeitig gesagt, er habe die Waffe nicht näher angeguckt. Im Wesentlichen sei die Aussage Wohllebens davon gekennzeichnet, dass er "den eigenen Tatbeitrag unbedeutender darstelle und den Vorsatz abstreite". Auch das sei nicht glaubhaft.
Glauben schenkt das Gericht hingegen dem Angeklagten Carsten S., der damals die Tatwaffe an Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos überbracht hatte - im Auftrag Wohllebens, wie er sagt. Carsten S. belastet Wohlleben schwer. Dessen Angaben seien "bei vorläufiger Bewertung", sagt das Gericht, "im wesentlichen glaubhaft". Er habe sich selbst und Wohlleben schwer belastet, es gebe keine Gründe, warum er sich unzutreffenderweise selbst belasten sollte.
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Auch andere Zeugen hätten erklärt, Wohlleben sei bei gewalttätigen Straftaten von Mundlos und Böhnhardt schon vor deren Untertauchen dabei gewesen und hätte von deren Bereitschaft gewusst, ideologisch motivierte Straftaten zu begehen. Und wieder lehnte das Gericht die Entlassung Wohllebens aus der Haft deswegen ab. Das hatten seine Anwälte gefordert.
Was auch aus dem Beschluss hervorgeht: Das Gericht bemüht sich seit Juni 2015 darum, dass die Schweiz eine Videokonferenz von drei Schweizer Bürgern erlaubt, die bei der Vermittlung der Waffe von der Schweiz bis nach Jena mitgewirkt hatten. Immer wieder habe sich das Gericht darum bemüht und auch telefoniert, zuletzt am 16. Februar, aber noch immer gebe es keine Entscheidung.