Amerikanischer Präsidentschaftskandidat in Europa:Romneys simples Weltbild

Lesezeit: 3 min

Stolz, stark, großartig: Das ist das Bild, das Mitt Romney von Amerika hat und stärken will. Nato, Europäische Union, internationale Allianzen und globale Strategien - all das spielt keine Rolle in Romneys Welt. Die Ansichten des republikanischen Präsidentschaftskandidaten sind inzwischen selbst Parteifreund Henry Kissinger peinlich.

Hubert Wetzel

Vielleicht ist der alte Mann müde. Noch vor ein paar Jahren jedenfalls hätte sich kein republikanischer Präsidentschaftskandidat getraut, ohne den Segen des außenpolitischen Doyens seiner Partei, Henry Kissinger, in die Schlacht ums Weiße Haus zu ziehen. Und Kissinger, fast 90 Jahre alt, aber von seiner weltpolitischen Bedeutung immer noch felsenfest überzeugt, hätte es sich nicht nehmen lassen, seinen Segen vor aller Augen zu erteilen. Diesmal ist das anders. Abgesehen von einem einzigen Spendenempfang hat Kissinger bisher keine Wahlkampfhilfe für Romney geleistet.

Der amerikanische Präsidentschaftskandidat in London vor Downing Street No. 10. Romneys Amerika ist immer noch das der Vierziger: mächtig und unbezwingbar. (Foto: AP)

Das kann sich noch ändern. Aber man kann das Schweigen des Granden durchaus auch als eine Art Protest sehen. Für jemanden, der Amerikas Außenpolitik jahrzehntelang intellektuell und praktisch geprägt hat, muss das, was sein Parteifreund Romney auf diesem Feld zu bieten hat, deprimierend sein.

Romneys Amerika

Romneys Weltbild, so wie er es jüngst in einer Rede vor Kriegsveteranen dargelegt hat, ist eine seltsame Mischung. Da ist Amerika: stolz, stark, großartig, eine Macht, deren "Schicksal" es ist, die freie Welt zu führen und Gutes zu tun. Und da sind die "Gegner". Russland gehört irgendwie immer noch in diese Gruppe, Iran sowieso, islamische Terroristen und China, das aber nicht so richtig, denn das Riesenreich ist ja zugleich einer der wichtigsten Handelspartner und der größte Gläubiger der USA.

In Romneys Vorstellung ist Amerika immer noch das Amerika der späten vierziger Jahre, das Adolf Hitler besiegt hat und Josef Stalin die Stirn bietet. Und die Welt ist eine, in der die Schurken nicht mehr nur in Moskau sitzen, sondern auch in Teheran. Sonst hat sich eigentlich nichts verändert.

Obama schwächt die Stärke des Landes

Aus Romneys Sicht ist Amerika jedoch in Gefahr, seine herausragende Stellung zu verlieren. Und das liegt, natürlich, am demokratischen Amtsinhaber Barack Obama. Dieser habe die Wirtschaft ruiniert - das Fundament amerikanischer Stärke -, und werde, sofern man ihn nicht aus dem Weißen Haus vertreibe, auch noch das Militär kaputtsparen - das Instrument amerikanischer Stärke. Am Ende dieser kruden Diagnose steht bei Romney ein realitätsfernes Versprechen: Ich werde Amerikas Stärke erhalten, weil ich fest an Amerikas Stärke glaube.

US-Wahlkampf
:Wenn Schweißperlen die Wahl entscheiden

Vorsicht, die Herren Obama und Romney! Ein falsches Wort oder ein dümmliches Foto reichen aus, um die US-Wahl zu verlieren. Michael Dukakis im Panzer oder Richard Nixon kränkelnd vor TV-Kameras - entscheidende Momente im Rückblick.

Matthias Kohlmaier

Nun kann man all das als Wahlkampftheater abtun. Romney hat bislang viel Kritik an Obamas Außenpolitik geäußert, aber wenig dazu gesagt, was er eigentlich anders machen würde. Doch das seltsame Weltbild des Kandidaten zeigt, wie erschütternd niedrig das Niveau inzwischen ist, auf dem man als durchaus wichtiger Mensch in den USA über Außenpolitik nachdenken und reden kann.

Berühmte Mormonen
:Heilige Unterwäsche!

Mitt Romney vermeidet es, im Wahlkampf um die US-Präsidentschaft über seinen Glauben zu sprechen - weil Mormonen bei vielen Amerikanern als umstritten gelten. Dabei hat die Religionsgemeinschaft zahlreiche bekannte Anhänger, darunter Vampir-Mütter, Hotelmagnaten und Hollywood-Stars.

Friederike Hunke

All die Dinge, die den Umgang von Staaten miteinander beeinflussen - Interessen, geostrategische Gegebenheiten, gegenseitige Abhängigkeiten, Allianzen, Diplomatie -, kommen bei Romney einfach nicht vor. Als einzigen wahren US-Verbündeten erwähnt der Kandidat Israel. Ähnlich unoriginell sind die Stationen seiner derzeitigen Auslandstour: Großbritannien, Polen und wieder Israel.

Das verquere Weltbild eines Präsidentschaftskandidaten

Sind das die Machtzentren Europas oder der Welt? Die Nato sprach Romney vor den Veteranen dagegen kein einziges Mal an; ebenso wenig die Europäische Union, die Vereinten Nationen oder die Globalisierung, die den Aufstieg neuer Mächte zur Folge hat, was wiederum einen relativen Machtverlust für die USA bedeutet. Auch eine Einschätzung dazu, was die arabischen Revolten bedeuten, bietet er nicht an.

Stattdessen patriotische Phrasen über die Einzigartigkeit und Stärke Amerikas, die kaum einen Bezug zur realen Welt haben. Romney tut so, als habe Obama im Januar 2009 die Regierung eines Landes übernommen, das im Zenit seiner Macht und seines weltpolitischen Einflusses stand, und habe dieses binnen vier Jahren heruntergewirtschaftet.

Dass Amerika nach einem halben Jahrhundert, in dem es die Führungsmacht der halben Welt war, ausgelaugt ist, dass es sich den neuen Rivalen an einigen Stellen durchaus entgegenstellen kann - zum Beispiel China im Pazifik oder Iran am Persischen Golf -, sich andernorts aber mit ihnen wird arrangieren müssen, weil es sonst pleitegeht - bei Romney findet sich dazu kein Wort, keine Idee. Stärke - aber wofür und, vor allem, wie sie bezahlen? Führung - aber wohin? Sogar George W. Bush und seine neokonservativen Missionare hatten Antworten auf diese Fragen, selbst wenn sie in finstere Sackgassen führten. Romney stellt diese Fragen nicht einmal.

Amerika hat in den vergangenen zehn Jahren die Grenzen dessen erfahren, was es in der Welt leisten kann, ohne selbst zu zerbrechen. Die USA können das 21. Jahrhundert mitprägen, aber nicht, wie Romney verspricht, dominieren. Wer das nicht sieht, hat die Welt nicht verstanden.

© SZ vom 27.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: