Afghanistan-Konferenz:Ein Tag für Schönredner

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Es war die erste Afghanistan-Konferenz, die in Afghanistan über die Bühne ging - unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen zwar, aber immerhin. Westerwelle lehnt eine kugelsichere Weste ab - nichts soll den Eindruck stören, alles werde gut.

Daniel Brössler

Die Sonne steht noch tief im usbekischen Termes, als sich auf dem Flugfeld eine eigentümliche Reisegruppe im Halbkreis um den Luftlademeister versammelt. Seiner kurzen morgendlichen Ansprache lauschen ein aufrecht stehender Herr aus Prag mit tadellos gebundener Fliege, eine britische Dame mit einem bunten Kulturbeutel unter dem Arm und der Bundesaußenminister Guido Westerwelle, der sich einen braunen Pulli über die Schultern geworfen hat.

Guido Westerwelle neben Afghanistans Präsident Hamid Karsai (rechts) und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon: Das Ende des Tunnels oder doch nur das Licht am Ende des Tunnels? (Foto: afp)

Der Soldat gibt ein paar grundlegende Sicherheitshinweise, erwähnt einige Besonderheiten der Transall, kommt auf die Toiletten zu sprechen, die es schon gebe, wenn auch "nur rudimentär". Karel Schwarzenberg, der tschechische Außenminister, verzieht keine Miene, Catherine Ashton, die EU-Außenbeauftragte, versteht kein Wort. Michael Steiner, Afghanistan-Beauftragter der Bundesregierung, kommt ihr zu Hilfe: "All he is saying: Don't worry". Machen Sie sich keine Sorgen.

Es gibt Tage, an denen das leichter ist. Die Reisegruppe ist soeben mit einem Airbus der deutschen Flugbereitschaft gelandet und will nun umsteigen in die Militärmaschine nach Kabul zu einer Konferenz, die gerühmt wird als Wegmarke und Wendepunkt, gefürchtet aber auch wegen ihrer offensichtlichen Anziehungskraft auf die Taliban.

Mehr als 40 Außenminister sind ein Ziel, das sich auch fern von Kabul treffen lässt. Jeder Anschlag an diesem Tag in Afghanistan wird ein Anschlag sein auf das Bild, das Regierung und Weltgemeinschaft von der Zukunft des Landes zeichnen. Vor der Landung werden die Passagiere gebeten, die bereitliegenden schusssicheren Westen anzulegen. Sicher ist sicher, auch und gerade wenn die internationale Gemeinschaft entschieden hat, dass die Zeit gekommen ist für eine Konferenz über Afghanistan in Afghanistan. Westerwelle wie auch seine Gäste Ashton und Schwarzenberg legen keine Westen an. Solche Westen, von Fernsehkameras aufgenommen, machen zu Hause keinen guten Eindruck. Sie könnten Fragen aufwerfen, ob da in Kabul ein Wendepunkt nicht ein wenig vor der Zeit gefeiert wird.

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Die Lage in Kabul ist jedenfalls dergestalt, dass Westerwelle und seine Delegation den kurzen Weg in die Stadt mit gepanzerten Fahrzeugen zurücklegen müssen. Er führt ihn durch Straßen, in der alle Läden verrammelt und zwei Sorten von Männern zu sehen sind: Die einen tragen grüne Uniformen und Gewehre, die anderen sitzen hoch zu weißen Rössern und begrüßen die Gäste stolz in roter Landestracht.

Im Garten der verschanzten deutschen Botschaft sagt Westerwelle dann feierlich, dies sei nicht nur ein wichtiger Tag für Afghanistan, sondern auch für die internationale Gemeinschaft. Das wird nicht weniger wahr dadurch, dass Westerwelle dies so oder ähnlich schon öfter gesagt hat in den vergangenen Tagen.

Der Außenminister und seine Kollegen brauchen etwas, das sie vorzeigen können zu Hause, wo die Menschen keinen Sinn mehr erkennen können in einem Militäreinsatz, der Afghanistan ganz offensichtlich nicht sicherer gemacht, viele Soldaten aber ihr Leben gekostet hat.

Helfen soll nun eine magische Zahl, die sich in der in den Tagen vor Konferenzbeginn ausgehandelten Abschlusserklärung unter Ziffer 18 findet. Die internationale Gemeinschaft begrüße das Ziel des afghanischen Präsidenten, dass die einheimischen Streitkräfte von Ende 2014 an alle Militäroperationen im Lande anführen. 2014 - das ist das Jahr, für das auch Westerwelle den Deutschen etwas verspricht, das er "Übergabe in Verantwortung" nennt und wovon freilich noch keiner weiß, ob es das Ende des Tunnels ist oder doch nur das Licht am Ende des Tunnels.

Als, sehr viel später an diesem Tag, Westerwelle im mit Blumen geschmückten großen Saal des Kabuler Außenministeriums am von Deutschland gespendeten Konferenztisch das Wort ergreift, redet er über Versprechen, in Wahrheit aber doch über seine eigenen Hoffnungen. Nicht nur symbolträchtig sei der Konferenzort Kabul, sondern auch "Ausdruck des festen Willens der internationalen Gemeinschaft, die vollständige Verantwortung für die Sicherheit in afghanische Hände" zu legen. "Die Bundesregierung hält ihre Versprechen und hat damit begonnen, sie umzusetzen", sagt er. Die zivile Hilfe sei auf 400 Million Euro verdoppelt worden, rechnet der deutsche Außenminister vor.

Eine Passage über das verstärkte deutsche Engagement für Militärausbildung und Polizeiaufbau streicht er hingegen aus dem Manuskript, vielleicht passt sie nicht zur Friedensbotschaft des heutigen Tags. Westerwelle spricht über den politischen Prozess, über Versöhnung und das Aussteigerprogramm für "moderate Taliban", das Deutschland mit 50 Millionen Euro unterstützen will. "Frauen- und Menschenrechte" fordert der Außenminister am Ende noch ein. Es ist dies eine der roten Linien, die er schon in Deutschland gezogen hatte.

Während die Konferenz noch läuft, empfängt Präsident Hamid Karsai in seinem Palast Gäste. Bei Granatapfelsaft spricht er mit Westerwelle über seine roten Linien: "keine al-Qaida, kein Extremismus". Als Versprechen, keinen Terrorexport mehr zuzulassen, mag das viel sein; als Bekenntnis zu universellen Menschenrechten ist es wenig. Westerwelle wird das Gespräch später loben, so wie die ganze Konferenz. Mit nach Hause nimmt er zehn Seiten voller Bekenntnisse, die Notizen eines Gesprächs mit dem Präsidenten und das Gefühl, einer "wichtigen Wegmarke" beigewohnt zu haben.

Auf einem Kabuler Fußballplatz detoniert an diesem Konferenztag eine Mörsergranate. Eine afghanische Nachrichtenagentur meldet - nur - drei Verletzte. Am Tag der großen Wegmarke ist das ein Grund zur Erleichterung.

© SZ vom 21.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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