Afghanistan:Experten sollen Taliban beim Regieren helfen

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Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid bei einer Pressekonferenz in Kabul am Dienstag. (Foto: Bernat Armangue/AP)

Die Taliban tun sich schwer zu regieren. Die Islamisten scheinen mit internen Machtkämpfen beschäftigt zu sein - nun werden Technokraten den Ministern zur Seite gestellt. Aber auch Hardliner bekommen Vize-Posten.

Von Tomas Avenarius, Kabul

Die Taliban haben ihre Regierung erweitert. Offenbar wollen die afghanischen Islamisten die Arbeitsfähigkeit ihres Kabinetts stärken: Besetzt wurden vor allen die Posten stellvertretender Minister und Abteilungsleiter; es scheint sich bei den meisten Ernennungen eher um Technokraten zu handeln. Bei den Ernennungen im Verteidigungs- und im Innenministerium kamen allerdings mächtige und berüchtigte Militärführer zum Zuge. Nach wie vor ist die Taliban-Regierung nicht anerkannt, die USA und europäische Union haben dies an Bedingungen geknüpft.

Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid sagte am Dienstag in Kabul, die Ernennungen erfolgten auf Anweisung des "Führers der Gläubigen", Hibatullah Achundsada. Er ist der geistliche Führer der Taliban, aber bisher noch nicht öffentlich in Erscheinung getreten.

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Gleichzeitig versprach Mudschahid erneut, dass die Frage der höheren Schulbildung für Mädchen in Angriff genommen werde. Er nannte aber keinen Zeitraum und erklärte, es gehe in dieser Frage auch um die Sicherheit der Mädchen. Die Taliban hatten am vergangenen Wochenende erklärt, dass Mädchen ab der Sekundarschule vorerst nicht zum Unterricht kommen dürfen, sie erklären dies mit technischen Problemen wie fehlenden Klassenzimmern für getrennt geschlechtlichen Unterricht.

Woher soll das Geld kommen? Der Taliban-Sprecher bleibt vage

Auch sonst blieb der Taliban-Sprecher vage: Auf die Frage, wie die Islamisten ihr Budget finanzieren wollten, verwies er immer wieder auf die Zollgebühren, nannte aber keinerlei konkrete Summen oder Zahlen über die Einnahmen. Er sagte als Detail nur, man werde die Stromrechnungen der Moscheen und Religionsschulen bezahlen; dies hatte auch die prowestliche Vorgängerregierung getan.

Zugleich forderte er die internationale Staatengemeinschaft auf, die vor allen in den USA und Europa eingefrorenen Devisenreserven Afghanistans freizugeben und Hilfsgelder zu zahlen. Dem bitterarmen Land drohen nach der Machtübernahme der Taliban der wirtschaftliche Zusammenbruch und eine landesweite Hungersnot.

Die Taliban selbst scheinen derzeit vor allem mit ihren inneren Machtkämpfen beschäftigt zu sein. Ihr Übergangskabinett wirkt dysfunktional, die Minister treten als politisch Handelnde bisher kaum in Erscheinung. Die Amtsträger entstammen selbst den Reihen der Taliban-Führer. Sie gehören zu den theologischen oder militärischen Führern und verfügen meist über keine spezifischen politischen oder fachlichen Qualifikationen für ihre Posten.

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Auch die Behörde für Nuklearenergie bekommt einen Chef

Daher offenbar nun die Kabinettserweiterung: Besetzt wurden 17 Positionen. Am wichtigsten erscheint der Posten des Gesundheitsministers, den ein Mediziner namens Kalander Ebat bekam. Im Innenministerium, das dem von den USA als Terroristen gesuchten Siradschuddin Hakkani untersteht, übernimmt allerdings ein nur als hochrangiger Militärführer bekannt gewordener Mann namens Mullah Muhammad Sadr Ibrahim als Vizeminister den Sicherheitsbereich. Sadr war während des ersten Taliban-Regimes von 1996 bis 2001 stellvertretender Verteidigungsminister. er soll enge Verbindungen zu Iran und der für das Ausland zuständigen "Al Quds-Einheit" gehabt haben.

Im Verteidigungsministerium übernahm Mullah Abdul Qayyum Zakir den Stellvertreterposten unter Mullah Jakub, dem als Minister amtierenden Sohn von Taliban-Gründer Mullah Omar. Auch Zakirist bekannt als Kämpfer. Er war einem Bericht des "Long War Journal" zufolge einer der erfahrensten Militärkommandeure der Taliban und heisst eigentlich Abdullah Ghulam Rasoul. Er war verantwortlich für Operationen in Süd-Afghanistan, soll enge Verbindungen zu Al-Qaida haben und war im US-Haftlager Guantanamo.

Auch im Flüchtlingsministerium gibt es einen Vize; ein "Kommandant" Arsalah Kharooti bekam den Posten. Im Handels-, Grenzschutz- und Katastrophenministerium wurden ebenfalls Vizeminister ernannt. Außerdem wurden die Chefposten der Behörde für Energie und Strom sowie des Olympischen Komitees besetzt. Überraschenderweise ernannten die Taliban zudem einen Chef der Behörde für Nuklearenergie.

Seit ihrer Machtübernahme vor gut einem Monat haben die Taliban sich zwar bemüht, international für eine Anerkennung zu werben und sich ein moderates Antlitz im Vergleich zu ihrer Schreckensherrschaft in den Jahren 1996 bis 2001 zu geben. Aber im Land berichten Frauen und Aktivsten von zahlreichen Menschenrechtsverletzungen.

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