AfD im Bundestag:"Dümmlich" und "doof"

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  • Der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestags, der AfD-Politiker Stephan Brandner, ist abgewählt worden.
  • Die Vertreter der anderen Parteien werfen ihm verbale Entgleisungen vor, vor allem auf Twitter.
  • Der Deutsche Richterbund begrüßte die Entscheidung, die AfD-Spitze sprach von einer "Mischung aus Dummheit und Anmaßung".

Von Jens Schneider, Berlin

Auch an diesem Mittwoch offenbart sich im Bundestag zwischen den Parteien eine Kluft. Sie scheint seit den Wahlen vor zwei Jahren noch größer geworden zu sein. Normalität ist nicht eingekehrt, so wie auch die Entscheidung nicht normal ist. So etwas hat es siebzig Jahre nicht gegeben, weil es das nicht hat geben müssen, wie eine Abgeordnete sagt: Geschlossen haben die Mitglieder des Rechtsausschusses von Union und SPD, FDP, Grünen und Linken in einem kurzen Verfahren den Vorsitzenden dieses Gremiums abgewählt.

Auch Parlamentarier, die als besonnen gelten, fanden nun, dass der AfD-Politiker Stephan Brandner als Vorsitzender nicht mehr tragbar sei. Ihm werden zahlreiche Entgleisungen vorgeworfen, vor allem auf Twitter. "Die zivilisatorische Kraft des Rechts besteht darin, dass wir uns mäßigen, dass wir uns auf Sachlichkeit verpflichten und dass wir versuchen, auch die emotionale Hitze aus Situationen herauszunehmen", sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Marco Buschmann. Brandner sei für den Posten ungeeignet. Der Christdemokrat Jan-Marco Luczak spricht von einem "klaren Signal gegen Hass und Hetze".

Zustimmung kommt vom Deutschen Richterbund, dessen Vorsitzender Jens Gnisa sagt: "Das Amt muss so ausgeübt werden, dass der Inhaber glaubwürdig für den Rechtsstaat steht. Er muss Vorbild sein." Und sich immer darüber bewusst sein, dass er "in besonderer Weise Repräsentant des Rechtsstaats ist und auch so auftreten muss". Der 53-jährige Brandner, aus dem Ruhrgebiet stammend und seit Langem Rechtsanwalt in Gera, hat diesen Anspruch für den größten Verband der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte nicht erfüllt.

Ein "FDJ-Tribunal", eine "Einheitsfront"

Die AfD reagiert auf die seit Tagen absehbare Entscheidung mit einem denkwürdigen Auftritt. Brandner gibt eine Kostprobe seiner eigenwilligen Rhetorik. Die Erklärungen, mit denen Ausschusskollegen ihre Entscheidung begründen, nennt er "ein FDJ-Tribunal", spricht von Heuchelei und Rechtsbruch. Die anderen Fraktionen bildeten "eine Einheitsfront". An seiner Amtsführung selbst habe doch nie jemand was auszusetzen gehabt. Er sei kein schlechter Vorsitzender gewesen. Nein, er vermute mal, er sei der beste Ausschussvorsitzende der letzten siebzig Jahre gewesen.

An seiner Seite reagiert die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel aufgebracht auf Journalistenfragen, nennt sie "dümmlich" oder "doof". Ihr Kollege Alexander Gauland setzt zur Attacke gegen die anderen an. Nein, es gebe keinen Skandal um Brandner, vielmehr sei dessen Entfernung aus dem Amt eine Zumutung für die Demokratie. Gauland nennt die Abwahl "eine Mischung aus Dummheit und Anmaßung", er spricht von einem Tabubruch.

Für den AfD-Fraktionschef ist die Sache ein schwerer Eingriff in die Rechte der größten Oppositionspartei. Denn ihr stehe der Vorsitz in diesem Ausschuss zu, und damit habe die AfD auch das Recht, einen Abgeordneten ihrer Wahl zu benennen, er meint: eben auch Brandner. Gauland und seine Parteifreunde erinnern daran, dass der AfD auch der Posten eines Bundestagsvizepräsidenten verwehrt wird, der ihr laut Geschäftsordnung zusteht. Ihre Kandidaten fallen regelmäßig durch.

Hat die AfD Fehler gemacht, vielleicht auch Brandner? Gauland will davon nichts wissen und verweist darauf, dass Brandner sich im Parlament entschuldigt hat, nachdem er einen Tweet zum Anschlag auf die Synagoge in Halle geteilt hatte. Danach aber hatte Brandner mit einem weiteren Tweet Empörung ausgelöst. Er nannte die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Udo Lindenberg durch den Bundespräsidenten einen "Judaslohn". Der Rockmusiker hatte über die AfD geschimpft.

Die AfD soll den Posten wieder besetzen

Brandner bewertet nun seine Abwahl als "weiteren Tiefpunkt für den Parlamentarismus in Deutschland" und kündigt dann an, weiter im Ausschuss mitzuarbeiten. Dort übernimmt erst mal der stellvertretende Vorsitzende Heribert Hirte von der CDU die Sitzungsleitung. Aber die AfD soll den Posten wieder besetzen. Im Ausschuss sitzen auch AfD-Mitglieder, die nicht vom Schlage Brandners sind, von dessen Ausfällen parteiintern auch nicht alle begeistert sind. Brandner sei eben Brandner, heißt es oft schulterzuckend. Aber interne Widerreden gibt es wiederum in diesem Fall nicht in der sonst streitfreudigen AfD.

Als Gauland von einem Reporter gefragt wird, ob die AfD nun eine integre Person aufstellen werde, raunzt er den Journalisten wütend an: "Wir haben nur integre Persönlichkeiten. Stellen Sie nicht solche Fragen!" Die AfD wolle nun in der Fraktion beraten, wie sie weiter verfahre.

© SZ vom 14.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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